Prinz für die Köchin
sollen.«
»Vielleicht.«
Die enttäuschte Dame stolzierte hinaus. Mitch stand einen Augenblick lang mit dem Rücken zu Imogen da und arrangierte auf einem Tisch gestapelte Bücher neu. Einen Moment später sagte er langsam: »Da sieht aber jemand sehr kritisch aus.«
Imogen lief rot an. »Oh nein, überhaupt nicht!«
»Na schön.« Er drehte sich zu ihr um. »Suchen Sie was Bestimmtes?«
»Die Kochbuchabteilung«, nuschelte Imogen. »Wenn Sie eine haben.«
»Ah«, antwortete er und reckte die Arme hinter dem Rücken. »Sehen Sie, hier im Paperback Wonderland glauben wir an die Pfade der Sehnsucht, und das sollten Sie auch tun, wenn Sie ein bisschen Grips haben.«
»Die Pfade der Sehnsucht?«
»Zum Teufel, ja«, bekräftigte Mitch.
»Haben Sie deshalb all diese … ungewöhnlichen Schildchen an Ihren Regalen?«
»Ja. Wissen Sie, die rütteln den Verstand auf.«
»Ich verstehe«, sagte Imogen in einem Tonfall, von dem sie hoffte, dass er intelligente Skepsis ausdrückte.
»Ihr Verstand ist wohl noch nie aufgerüttelt worden, wie?«
»Nein, ich glaube n-«
»Kann nicht behaupten, dass mich das überrascht. Sind Sie die Neue bei Boustifaille?«
»Ja, aber woher –«
»Ist ’ne kleine Stadt. Ziemlich leicht, sich auf dem Laufenden zu halten. Also, was läuft denn so? Haben die Sie schon was kochen lassen?«
»Nein, ich –«
»Hat dieser Boudin Sie schon angebrüllt?«
»Ja. Ziemlich oft.«
»Der ist Perfektionist, das ist sein Problem. Sehen Sie, ich bin nicht so, ich mach einfach mein eigenes Ding. Das war immer gut genug für mich.«
»Aber das hier ist ja auch die einzige englische Buchhandlung im ganzen Ort«, gab Imogen besonnen zu bedenken. »Boustifaille konkurriert mit einer Menge anderer Restaurants hier in der Gegend.«
»Hm.« Mitch schnitt eine Grimasse. »Konkurrenz ist was für Alpha-Männchen. Die können von mir aus gern konkurrieren.«
»Also, ich bin kein Alpha-Männchen«, begehrte Imogen auf, »aber ich würde trotzdem gern im Boustifaille kochen.«
»Na, was sagt man dazu …« Mitch stand da und betrachtete sie einen Moment lang nicht ohne Freundlichkeit. Dann sagte er: »Die Bücher über Essen sind im Hauptraum.« Er ging ihr auf langen Beinen voraus. »Sehen Sie?«, fragte er und zeigte mit dem Finger. »Da, wo dransteht ›Quatsch mit Soße‹.«
8
Eine Woche war seit Imogens Ankunft in Saint-Jean-les-Cassis vergangen. An diesem Abend saß sie schweigend mit Bastien und ihren anderen Boustifaille-Kollegen im La Sirène. Monty hockte zu ihren Füßen. Vorsichtig nippte sie an einem roten Getränk namens Monaco – Granatapfelsaft mit Bier und Limo. Als Bastien ihn für sie bestellt hatte, war sie zuerst sauer gewesen, dann jedoch hatte sie gemerkt, dass das Zeug erstaunlich gut den Durst löschte. Außerdem war es ziemlich erheiternd, sich vorzustellen, wie empört ihre Mutter wäre, wenn sie sie etwas derart Vulgäres trinken sähe.
Sie betrachtete die abendliche Szenerie um sie herum. Selbst außerhalb der eigentlichen Saison war dies hier etwas ganz anderes als ihre seltenen schüchternen Ausflüge in den Pub in Archway, mit Jo, der netten, verständigen, aber ziemlich langweiligen Bibliothekarin. Hin und wieder waren auch Kate und Becky aus dem Kindergarten mitgekommen, die peinlich laut wurden, wenn sie zu viel getrunken hatten. Wenn sie mit dieser Gang unterwegs gewesen war, hatte Imogen sich immer fehl am Platze gefühlt und sich ziemlich gelangweilt. Sie war jedes Mal die Erste gewesen, die nach Hause ging.
Das hier dagegen war vollkommen anders. Ja, sie kam sich vor wie eine Touristin und wie eine Außenseiterin, und sie wünschte sich, früher im Französischunterricht besser aufgepasst zu haben. Es war eine Sache, in aller Ruhe mithilfe eines Wörterbuchs ein Rezept zu lesen, und etwas ganz anderes, das zu entschlüsseln, was ihre Kollegen jetzt auf Schnellfeuer-Französisch von sich gaben und was durch ihren südlichen Singsang noch unverständlicher wurde. Imogen konnte nur einem winzigen Bruchteil der Unterhaltung folgen und wagte nicht, sich daran zu beteiligen. Doch trotz ihrer Ängste und Unzulänglichkeiten fühlte sie sich auf stille, unauffällige Weise wohl.
La Sirène war voller Leute aus dem Ort, die sich prächtig zu amüsieren schienen – und Imogen fand diese Atmosphäre ansteckend. Der patron, ein gutmütiger Mann namens Bernard, scherzte hinter der Bar mit seinem Kellnerteam, während die Stereoanlage des Cafés fröhliche
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