Prinz für die Köchin
sie sorgfältig hinter sich.
»Monty!«, zischte sie im strengsten Tonfall, den sie zustande brachte. Der kleine Hund war verstummt. Wo steckte er? War er irgendwie in den begehbaren Kühlschrank gelangt? Nein, die Tür war zu schwer. Doch es war denkbar, dass es ihm gelungen war, den Knauf an der Speisekammertür zu drehen. Er war sehr geschickt mit seinen Pfoten, und es wäre nicht das erste Mal, dass er einen interessanten Schrank aufbekommen hätte. Jetzt machte Imogen sich ernstlich Sorgen: In der Speisekammer hingen etliche duftende Bayonne-Schinken, und ihr graute bei dem Gedanken daran, was geschehen würde, wenn Monty es schaffen sollte, hoch genug zu springen, um davon abzubeißen. Mit klopfendem Herzen sah sie in der Speisekammer nach. Kein Monty. Sie kauerte sich hin, um unter die Arbeitstische zu schauen. Da war auch kein Monty. Gerade wollte sie hinter den Öfen nachsehen, als plötzlich sämtliche Lampen ausgingen. Gleichzeitig bemerkte sie eine Bewegung zu ihrer Rechten. Kurz darauf vernahm sie ein kurzes Bellen.
»Monty! Komm her, du Schlingel!«
Da war er, leckte ihr die Hand und war offenkundig sehr zufrieden mit sich. Auf die eine oder andere Weise musste es ihm gelungen sein, irgendetwas Leckeres zu klauen.
»Du kleiner Vielfraß«, flüsterte sie liebevoll und kraulte ihm den Kopf.
Um sie herum war die Finsternis undurchdringlich. Monty bei Fuß tappte Imogen vorsichtig vorwärts und tastete mit den Händen nach einer Wand. Nebenan im Restaurant konnte sie jemanden über eine panne de secteur spekulieren hören – einen Stromausfall –, die zu beheben vielleicht eine ganze Weile dauern könnte. Inzwischen wäre es am besten, wenn sie irgendwie die Tür zum Hof ausfindig machen und ihren ungezogenen Hund hinausbugsieren könnte, bevor Monsieur Boudin Wind von dem Ganzen bekam. Doch in dem Moment ließ Monty ein aufgeregtes Gebell vom Stapel.
»Sei still, Monty!«, flehte Imogen. »Deinetwegen kriegen wir noch Ärger!«
Sie machte noch einen Schritt in die Richtung, die sie für die richtige hielt, und rempelte jäh jemanden an – ohne Zweifel einen ihrer Kollegen.
»Huch, Entschuldigung«, stieß sie hervor und kicherte nervös. »Ich bin’s, Imogen. Ich wollte meinen Hund holen. Wer ist da?«
»Imogen, ich bin’s«, sagte der Angerempelte sehr leise auf Französisch und nahm ihre Hand in die seine. »Hab keine Angst.«
Imogen, die plötzlich ganz erhebliche Angst verspürte, zog ihre Hand weg und trat rasch ein paar Schritte zurück. Dann bückte sie sich hastig, um ihren Hund hochzuheben. Monty war treu bis aufs Blut und würde mit Freuden auf jeden losgehen, der sie bedrohte. Doch die Gegenwart dieses Mannes schien ihn überhaupt nicht zu stören. Es war kein feindseliges Knurren zu vernehmen – nur jede Menge fröhliches Hecheln.
»Ich rufe um Hilfe«, sagte Imogen mit so fester Stimme wie möglich.
»Das ist nicht nötig«, hörte sie ihn gedämpft antworten. Dann lachte er. »Ich weiß, das hier ist nicht Blindekuh, aber … ist das okay?«
»Du?«, fragte sie ungläubig. Ihr Herz schlug noch immer schnell, nunmehr aus einem ganz anderen Grund. Sanft setzte sie Monty ab und fragte: »Wo bist du?«
»Hier drüben«, flüsterte er und bekam diesmal ihre beiden Hände zu fassen. Während sie seinem Atem und ihrem Herzschlag lauschte, wurde ihr von Neuem schwummerig – auf durchaus nicht unangenehme Art und Weise. Die Wärme seiner Berührung und das Gefühl, dass er lächelte, ließ ihre innere Anspannung allmählich ebenfalls verfliegen.
Er küsste nacheinander ihre Hände, zog sie dann sehr sanft in seine Arme und hielt sie ganz leicht umschlungen. »Möchtest du, dass ich dich in Ruhe lasse?«, sagte er ihr leise ins Ohr. »Wenn du willst, dass ich gehe, dann verschwinde ich sofort.«
Doch Imogen forderte ihn nicht auf zu gehen. Stattdessen ertappte sie sich dabei, wie sie instinktiv den Kopf auf seine Schulter sinken ließ. In diesem Moment – obgleich ihr das erst später klar wurde – verschwanden sämtliche Gedanken an Bastien oder Dimitri spurlos aus ihrem Kopf. Sie war sich nur seines Hemdes an ihrer Wange bewusst, seines Körper an dem ihren, der unmittelbaren Nähe seines unsichtbaren Gesichts. »Das ist doch verrückt«, sagte sie und lächelte ein wenig. »Ich weiß nicht einmal, wer du bist.«
»Doch. Doch, du kennst mich«, erwiderte er halblaut, ehe er ihr Gesicht zwischen seine Hände nahm und sie küsste, bis sie in einen allumfassenden,
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