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Prinz für die Köchin

Titel: Prinz für die Köchin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Zagha
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fort, »dann sagen Sie’s einfach.«
    »Danke, petite.« Boudin schüttelte den Kopf, dann sagte er betrübt: »Heute Abend kommt eine Kritikerin.«
    »Oh.«
    »Also ist jetzt wirklich nicht der rechte Zeitpunkt, dir mehr Verantwortung zu übertragen, verstehst du?«
    »Ich verstehe, Chef«, beteuerte Imogen verzagt, ehe sie hinzufügte: »Aber morgen?«
    »Ja, vielleicht.« Boudin sah blass und krank aus. »Und jetzt geh an deine Arbeit.«
    Die Anwesenheit von Nadine Picore, der Restaurantkritikerin der Regionalzeitung Nice-Matin , hatte die ganze Küche in Aufruhr versetzt, und Imogen war froh zu sehen, dass Bastien und Dimitri, die jeweils für die Vorspeise und den Hauptgang der Kritikerin zuständig waren, emsig dabei waren, wahre Kunstwerke zu produzieren. Hätte Monsieur Boudin sie nur machen lassen, so wäre alles gut gegangen. Stattdessen jedoch störte er sie ständig in kritischen Augenblicken und bellte verwirrende Anweisungen, so dass Bastiens Klößchen unweigerlich verkochten und er von vorn anfangen musste, während Dimitris Sauce – eine höchst delikate Emulsion – immer wieder gerann. Dann ging noch mehr Zeit verloren, während der Küchenchef sie für ihre Fehler zusammenstauchte.
    Doch es war der unglückliche Régis, der den größten Teil von Boudins übler Laune abbekam, während er sich verzweifelt bemühte, Madame Picores Passionsfrucht- millefeuille zuzubereiten. Angesichts von Jean-Jacques’ nervösen Berichten, dass die Kritikerin das Ganze gar nicht lustig fand – sowohl ihre Vor- als auch ihre Hauptspeise waren mit erheblicher Verzögerung serviert worden –, sah Régis ungemein beklommen aus, als er kleine Batzen feuillant – der Teig mit Mandelaroma, der für die Gebäckschichten benutzt wurde – mit den Fingerspitzen auf dem Backblech ausstrich. Er war fast fertig damit, als Boudin sich neben ihn schob. »Du machst zu viel daran herum. Wasch dir die Hände und fang noch mal von vorn an. Und lass das erste Blech nicht verbrennen.«
    Als Régis mit seinem fertigen Blech zum Ofen ging, sah er sich Monsieur Boudin gegenüber, der ihm den Weg verstellte und auf sein Werk hinunterblickte.
    »Was ist denn das?«
    »Das sind die feuillants für –«
    »Ich weiß, was das ist. Wieso sind die Teigplatten voller Löcher?«
    »Aber … da sind doch gar keine Löcher drin, Chef.«
    »Ich sage, da sind Löcher drin. Noch mal von vorn.«
    »Okay«, nuschelte Régis, dem der Schweiß ausbrach.
    »Und benutz doch deine Nase, Herrgott noch mal! Deine anderen Platten brennen gerade an.«
    »Trois millefeuilles!«, rief Larissa laut und deutlich. »Et encore deux millefeuilles!«
    »Ja, Larissa!«, rief Régis zurück, während er die verkohlten Teigplatten in den Mülleimer kippte.
    »Und jetzt mach mit der sabayon weiter, okay?«, hörte Imogen Boudin Anweisungen geben. »Du hast keine Zeit mehr.«
    »Aber … die ist doch schon fertig, Chef«, wandte Régis ein. »Die steht im Kühlschrank. Wir benutzen sie immer gekühlt, erinnern Sie sich? Was ich jetzt machen muss, ist das Passionsfrucht-Karamell.«
    »Dz-dz-dz.« Monsieur Boudin sah ihn finster an. »Willst du mir etwa sagen, dass du es besser weißt?«
    »Nein, Chef.« Nachdem er rasch die Teigplatten aus dem Ofen geholt und sie auf einen Abkühlrost gelegt hatte, machte Régis sich daran, Eigelb und Vanillezucker im Wasserbad zu verquirlen. »Oh Gott«, wimmerte er. »Ich glaube, das halte ich nicht mehr lange aus. Es ist, als ob er versucht, sich selbst zu sabotieren, das Restaurant, einfach alles.«
    »Régis!«, rief Larissa scharf von der Durchreiche her. »Wo bleiben die millefeuilles? Die Gäste werden ungeduldig. Und Madame Picore sieht stocksauer aus. Ich brauche ihres, sofort!«
    »Fünf Minuten«, rief Régis zurück, während er Monsieur Boudin auf sich zurollen sah.
    »Mach das Karamell«, fauchte sein Boss und blickte über die Schulter. »Diese sabayon ist nicht dickflüssig genug! Wo ist der Schaum? Noch mal von vorn. Und lass dein Karamell ja nicht anbrennen! Oh, schau – es brennt an. Noch mal von vorn.«
    »Chef«, rief Jean-Jacques respektvoll durch die Durchreiche.
    »Ja, was ist?«
    »Es ist zu spät. Ich fürchte, diese Tische haben alle um die Rechnung gebeten.«
    »Und die Dame vom Nice-Matin?« , fragte Monsieur Boudin, ohne sich umzudrehen.
    »Es tut mir leid, Chef«, antwortete Jean-Jacques. Sein Gesicht war weiß. »Sie ist gegangen.«
    Régis schnappte nach Luft und schlug die Hände vors Gesicht.

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