Prinz für die Köchin
Geknickt sah Imogen ihren Boss an.
»Sie ist gegangen«, wiederholte Monsieur Boudin ein paarmal. Dann, gerade als er sich abwandte, sah Imogen ganz kurz den Ausdruck auf seinem Gesicht. Unglaublicherweise sah er erleichtert aus. Nein, das konnte nicht sein – bestimmt hatte sie sich das nur eingebildet.
31
»Okay«, sagte Faustina forsch und warf ihre sorgfältig gestylte Lockenmähne zurück. »Fangen wir an.«
Bunny stand im Wartebereich des Hundesalons, stellte einen großen Zeichenblock auf eine Staffelei und holte ein Paket leuchtend bunter Filzstifte hervor.
»Hach, das ist ja so was von toll«, schwärmte Mitch und presste die Hände zusammen. »Genau wie bei Cagney und Lacey.«
»Stellt euch vor, ihr befindet euch im nebligen alten London«, sagte Bunny strahlend, »im letzten Kapitel einer Geschichte der großen Agatha Christie. Wir werden jetzt eine Brainstorming-Session abhalten, genau wie Miss Marple es tun würde.«
»Ich weiß nicht genau, ob Miss Marple den Begriff ›Brainstorming‹ benutzt hätte«, bemerkte Imogen halblaut. Sie lächelte; sie war neugierig, was bei den Bemühungen ihrer Freunde herauskommen würde – und ob überhaupt etwas dabei herauskommen würde. Jetzt, da sie sich ihrer beiden anfänglichen Verdächtigen Bastien und Dimitri nicht mehr sicher war, brauchte sie wirklich Hilfe.
»Also«, meinte Faustina, während sie rasch einen Grundriss des Boustifaille zeichnete. »Speisesaal. Küche. Hof. Imogen«, fuhr sie fort und hielt ihr einen blauen Stift hin, »komm her und zeig mir, wo alle waren, als –«
»Als der Mord begangen wurde?«, fragte Imogen ironisch.
»Tsss!«, zischte Mitch ihr ins Ohr. »Sei lieb!«
»Okay, okay, ich gebe mir Mühe.« Sie machte ein kleines blaues Kreuz. »Das ist Jean-Jacques, der maitre d’. Der kann es nicht gewesen sein, ich weiß, dass er während des Stromausfalls die ganze Zeit bei Larissa und Sidonie war. Sie haben an der Bar gestanden, hier. Bleibt also noch … jeder andere Mann, der dabei war.« Damit gab sie Faustina den blauen Stift zurück.
»Hm, gehen wir mal das Küchenpersonal durch«, sagte Faustina und zählte an den Fingern ab. »Pierrot?«
»Nein«, wehrte Imogen erleichtert ab. »Der hat die Sicherungen wieder reingedreht, er war’s also nicht. Er konnte ja nicht gleichzeitig an zwei Orten sein.«
»Siehst du?«, meinte Bunny aufmunternd. »Es ist gar nicht so verwirrend, wie du gedacht hast.«
»In Ordnung.« Faustina achtete nicht auf die Zwischenbemerkung. »Der Nächste. Régis?«
»Ich glaube nicht. Zu, äh, zu knuffig. Er ist ziemlich gut gepolstert, und ich glaube, ich habe da was gefühlt, so ein bisschen wie, äh …«
»Knochen?«, fragte Mitch spitz.
Imogen lief rot an, während die anderen in rücksichtsloses Gekicher ausbrachen. »Na ja, ja, ich glaube schon«, brachte sie schließlich einigermaßen würdevoll heraus. »Schultern. Rippen. So was eben.«
»Was ist mit Manu?«
»Zu klein.«
»Wie groß ist er denn?«, erkundigte sich Bunny. »Dein … Valentin.«
»Ich weiß nicht genau, aber definitiv größer als ich.«
Mitch furchte die Stirn. »Dieser Bengel, Jean-Jacques’ Assistent – Patrice. Der ist groß genug.«
Das stimmte. Imogen schloss die Augen und überdachte ihr Verhältnis zu dem gutmütigen, zurückhaltenden Patrice, das so gut wie nicht existent war, da der junge Mann größtenteils im Schatten seines Mentors Jean-Jacques lebte.
»Patrice ist unglaublich schüchtern«, gab sie zu bedenken.
»Genau!«, rief Faustina.
»Ja. Wäre das nicht ein guter Grund, anonym zu bleiben?«
»Er … der Mann, der mich in der Küche geküsst hat, hat sich aber gar nicht schüchtern … angefühlt«, murmelte Imogen und dachte daran, wie sich seine Hände um ihre Handgelenke angefühlt hatten. Und daran, wie quälend und extrem gekonnt er mit den Zähnen über ihre nackte Haut gefahren war.
»Du meinst, er besaß …« Mitch hielt inne und senkte dann der zusätzlichen Betonung wegen die Stimme bis zum Bassbariton, »… sexuelle Autorität . Richtig?«
Imogen lächelte. »Ja, so könnte man’s nennen.«
»Könnte sogar Boudin gewesen sein«, fuhr Mitch nachdenklich fort. »Also, dem kommt doch die Autorität zu den Ohren raus.«
Imogen war erschüttert. »Nein! Zum einen war der randvoll mit Cognac abgefüllt. Ich hätte doch nichts anderes geschmeckt.«
»Hahaha. Bleib locker, war doch nur ein Witz.«
»Wir verschwenden unsere Zeit«, fuhr Faustina dazwischen und
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