Prinz Rajin - Der Verdammte
wie Drachenstab oder Schwert konnte man notfalls verzichten, nicht aber auf die innere Kraft, die diese Werkzeuge erst zu mächtigen Gegenständen machte.
Ein Lächeln glitt über das Gesicht von Abrynos dem Schattenpfadgänger. „Wie auch immer Ihr Euch verkleiden mögt, jemanden mit den Sinnen eines Magiers erkennt Euch jederzeit. Zudem gibt es nicht wenige Magier, die dem Reich und seinem Großmeister abtrünnig wurden und sich bei menschlichen oder halbmenschlichen Herrscherhäusern verdingen. Erbärmliche Kreaturen sind diese Abtrünnigen, Verräter, die sicherlich auch im Dienst von Katagi stehen, der zurzeit auf dem Drachenthron von Drakor herrscht.“
„Ihr sprecht wahre Worte“, gab Liisho zurück, der zugleich versuchte, mithilfe seiner inneren Kraft zu erfassen, was den Schattenpfadgänger letztlich hergeführt hatte. Rajin glaubte jedenfalls, die Anstrengung aus den Zügen des Weisen herauslesen zu können, obwohl diese für andere Betrachter vollkommen gelassen wirkten.
„Ein gesuchter Feind der Krone seid Ihr“, sagte Abrynos, „und die Schergen Katagis werden Euch eines Tages ebenso zur Strecke bringen, wie es mit vier der fünf Prinzen geschehen ist, die Ihr einst aus dem brennenden Palast gerettet habt! Selbst der letzte von ihnen, der noch lebt und auf den so viele Drachenier ihre vergeblichen Hoffnungen setzen, wird diesem Schicksal nicht entgehen!“
„Und was bekümmern Euch diese Dinge?“, fragte Liisho. „Wer schickt Euch – oder seid Ihr von vornherein nur gekommen, um die Gastfreundschaft eines Fürsten zu beleidigen und durch die Vernichtung von Gegnern, die Euch von Anfang an klar unterlegen waren, Eure angebliche Stärke zu beweisen?“
Abrynos hob blitzartig die Hand und fing etwas auf, was so schnell durch die Luft gezischt war, dass ein menschliches Auge es kaum hätte erkennen können. Es war ein Pfeil aus einem Blasrohr, wie sie die Ninjas des Fürsten vom Südfluss benutzten. An einer Seite des Festsaals gab es eine Galerie, und dort befand sich der maskierte Krieger.
Der Magier hob die freie Hand in Richtung der Galerie. Risse zogen sich durch den Stein, und sie brach mitsamt dem Ninja in die Tiefe. Der Maskierte schrie auf. Sein Körper schlug hart auf dem Boden und blieb zwischen den Trümmern der Galerie regungslos liegen.
Abrynos stieß einen durchdringenden Schrei aus. Ein Schrei, der sich mit den Schreien jener vermischte, die davonstoben, um nicht von den Trümmerstücken erschlagen zu werden.
Dann warf der Magier den aufgefangenen Pfeil auf den Boden, wo er sich in eine Schlange verwandelte. Zunächst hatte sie nur die Länge des Pfeils, die kaum eine Handbreit betrug. Doch die Schlange wuchs. Sie hob den Kopf. Zischend kam die lange Zunge hervor, und in den Augen des Reptils leuchtete das gleiche grüne Feuer wie in denen des Magiers.
Als sie bereits auf eine Armlänge angewachsen war, wucherte eine Beule an ihrem Körper, die aufplatzte und aus der Augenblicke später ein zweiter Schlangenkopf erschien. Dieser zweite Kopf glich dem ersten in jedem Detail, bis auf die Größe. So sehr er auch wuchs, er schien darin dem ersten Kopf immer unterlegen zu bleiben und nicht mehr als die Hälfte des Volumens des ersten Schlangenhauptes erreichen zu können.
Beide Köpfe fauchten sich gegenseitig an, als wollten sie sich in ihrem Wachstum gegenseitig anzuspornen. Der Schlangenleib war zunächst von schwarzer geschuppter Haut bedeckt, mit feuerroten Zeichnungen, die sich ständig veränderten.
Der Magier wandte den Blick in Fürst Payus Richtung, und beide Schlangenköpfe taten es ihm nach, so als wären sie auf direkte Weise mit Abrynos dem Schattenpfadgänger verbunden.
„Ihr habt versucht, mich umzubringen, Fürst vom Südfluss“, sprach Abrynos. „Aber ich verzeihe Euch, denn Ihr gewährt dem Asyl, den ich suche, und so würde mir der Großmeister in Magussa gewiss zürnen, würde ich Gleiches mit Gleichem vergelten und Euch Eurer gerechten Strafe zuführen, Fürst Payu.“
Die zweiköpfige Schlange war unterdessen auf die Länge einer Lanze angewachsen, und wenn sie den vorderen Teil ihres Körpers aufrichtete, reichte dieser einem Mann bereits bis zur Hüfte.
Der Weise Liisho streckte die Hand aus und murmelte eine Zauberformel, und daraufhin verwandelte sich die Schlange. Ihre Körperzeichnung veränderte sich. Die roten, ineinander verwobenen Linien bewegten sich nicht mehr. Sie erstarrten und nahmen eine metallisch wirkende Färbung an, die an
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