Prinz Rajin - Der Verdammte
den Südfluss anzugreifen und zu verhindern, dass Landtruppen aus Ostmeerland den Verteidigern zu Hilfe eilen konnten.
„Wie viele Drachenreiter habt Ihr zur Verfügung, Fürst Payu?“, fragte Rajin.
„Ich nehme an, dass sich derzeit keine fünfzig in den Mauern Sukaras aufhalten“, antwortete der Fürst. „Angesichts dieser Übermacht müssen wir wohl damit rechnen, dass alle Befestigungen im Grenzland einfach überrannt und die Drachenreiter niedergemacht wurden. Von dort werden wir allenfalls noch mit der Unterstützung einzelner Versprengter rechnen können.“
„Was ist mit großen Gondeldrachen?“, fragte Rajin genauer nach.
„Sie sind der Kriegsarmada des Kaisers vorbehalten. Sie zu unterhalten oder anzuschaffen übersteigt meine Mittel.“ Grimmig schloss sich die Hand Payus um den Schwertgriff. „Die Entwicklung ist zu schnell über uns gekommen. Wer hätte damit rechnen können, dass das Bündnis zwischen dem Seereich und den Tajimäern so schnell zustande kommt?“
„Katagi hat das Gleichgewicht ins Wanken gebracht“, meinte Liisho. „Alles, was nun geschieht, ist für keinen der Beteiligten noch vorhersehbar. Was er tut, gleicht einem Würfelspiel mit dem Schicksal der fünf Reiche.“
Rajins Gedanken waren bereits an einem ganz anderen Punkt. Sein Blick glitt an den sich immer mehr verdichtenden Reihen der tajimäischen Luftflotte entlang. Ein Schiff nach dem anderen wurde mit Ankerleinen provisorisch fixiert. Leitern wurden herabgelassen und über Flaschenzüge Bodentruppen und Belagerungsmaschinen.
„Sie gehen planmäßig vor, und wenn sie ihre Kriegsmaschinerie erst einmal vollständig in Stellung gebracht haben, gibt es für uns nur noch die Möglichkeit, uns bedingungslos zu ergeben“, stellte Rajin fest. Nicht einmal eine Flucht hätte noch Aussicht auf Erfolg gehabt. Die Zahl der Luftschiffe, die die Stadt eingekreist hatten, war bereits viel zu groß.
Fünfzig Drachenreiter – das war nicht viel und ganz gewiss keine Streitmacht, mit der man hoffen konnte, gegen dieses gewaltige Heer zu siegen.
Die Drachen schienen die in der Luft liegende Anspannung bereits zu spüren, denn sie knurrten und brüllten in ihren Pferchen. Da sie aufgrund der allgemeinen Knappheit an Seemammutfleisch auf halbe Ration gesetzt worden waren, mischten sich Wut und Hunger auf eine Weise, die es den Samurai nicht gerade erleichtern würde, ihre Reittiere zu lenken.
In Rajin rasten die Gedanken. Die Gegenwart mischte sich mit Vergangenem, Erinnerungen mit Wunschbildern der Zukunft. Sollte hier und heute schon alles vorbei sein, was der Prinz für seine Bestimmung hielt? Sollte bereits die entscheidende Schlacht um die Zukunft verloren sein? Rajin ballte die Hände zu Fäusten.
Eine Legende fiel ihm ein, die der Weise Liisho schon in früher Kindheit in den Geist Rajins gepflanzt hatte. Die Legende des Heiligen Namboo, der das Wort des Unsichtbaren Gottes in einer Gegend verkündete, in der man einen Götzen in Form eines riesigen Auges aus Jade verehrt hatte. Die Bewohner fesselten Namboo und setzten ihn vor das überlebensgroße Jadeauge, das größer gewesen war als die größte Hütte im Dorf. Sie zwangen den Heiligen, das Auge ihres Gottes anzusehen und erwarteten, dass dessen innere Kraft sich als stärker erweisen würde als die des Heiligen Namboo. Doch das Gegenteil war der Fall. Drei Tage musste der Heilige vor dem Jadeauge ausharren und starrte es an, bevor es schließlich in tausend Stücke zersprang.
Es kommt auf die innere Kraft an, ging es Rajin durch den Sinn. Und darauf, dem Schicksal ins Auge zu blicken …
Er wandte sich zu den anderen um und sagte: „Unterstellt mir Eure Drachenreiter, Fürst!“
„Sie werden Euch nicht folgen.“
„Wenn Ihr Ihnen eröffnet, wer ich bin, schon.“
„Haltet Ihr es wirklich für klug, noch mehr in dieses Geheimnis einzuweihen?“, fragte Fürst Payu. „Es ist schon gefährlich genug, dass die Ninjas darüber Bescheid wissen, mit denen Ihr nach Kenda geflogen seid. Aber das war immerhin unvermeidlich.“
„Es sind Samurai – und sie sollten wissen, für wen sie kämpfen“, erwiderte Rajin.
„Kämpfen?“ Der Fürst runzelte die Stirn. „Was habt Ihr vor?“
„Ich werde mit ihnen einen Angriff fliegen.“
Der Fürst sah Rajin völlig entgeistert an. „Mit fünfzig Drachenreitern – gegen diese Streitmacht? Mit Verlaub, mein Prinz, aber Entscheidungen hinsichtlich der Verteidigung dieser Stadt solltet Ihr Männern überlassen,
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