Prinzessin auf Probe?
Schwägerin Shannon und Kate, die Verlobte von Duarte.
Die Zeit mit ihnen wäre sicherlich besser angelegt, wenn sie sie über die Familie ausfragen könnte, statt sich mit dem Grundriss des Anwesens vertraut zu machen. Sie hoffte nur, dass sie nicht so verschlossen waren wie Carlos.
Shannon öffnete gerade eine weitere Tür und meinte in ihrem texanischen Akzent: „Hier geht es zu meiner Suite. Ich hoffe, es stört euch nicht, wenn ich kurz nach meinem Sohn schaue und das Kindermädchen ins Bett schicke. Dann können wir uns auf den Mitternachtssnack stürzen, den ich versprochen habe.“
„Lass dir ruhig Zeit“, sagte Lilah. „Ich bin wegen der Zeitverschiebung ohnehin noch hellwach.“
Bald würde sie die gleiche Verantwortung für ein Kind tragen. Sicherzustellen, dass ihr Kind ein möglichst beständiges Leben führen konnte, setzte voraus, dass sie die verwirrenden Gefühle für den Vater des Babys in den Griff bekam.
Lilah schlenderte zum Sofa und entdeckte darauf eine kleine selbst gestrickte und schon ziemlich abgenutzte Decke.
Shannon, die aus dem Kinderzimmer kam, bemerkte Lilahs Blick. Andächtig strich sie über die weiche Decke. „Die hat Antonios Mutter gestrickt, kurz bevor sie gestorben ist.“ Sie blickte auf. „Antonio war erst fünf, als sie San Rinaldo verlassen mussten. Er hat mir erzählt, dass er fest daran geglaubt hat, dass die Decke ihn beschützen würde.“
Fünf Jahre alt .
Als die anderen Frauen es sich in den Sesseln gemütlich machten, schlang Lilah die Arme um sich, weil ihr auf einmal ein Schauder über den Rücken lief, als sie sich vorstellte, wie drei kleine Jungen aus ihrem Heim flüchten mussten. Sie hatten Kugeln ausweichen müssen, hatten ihre Mutter verloren. Lilah schloss die Augen. Sie kannte Carlos jetzt seit über vier Jahren, doch niemals hätte sie vermutet, wie schwer die Bürden wirklich waren, die er mit sich herumschleppte.
Eloisa legte die Füße auf einen Hocker und balancierte einen Teller mit Sandwiches auf ihrem kugelrunden Bauch, als sie sich mit einem Lächeln an Lilah wandte: „Es ist alles ziemlich überwältigend, oder? Ich bin auch noch dabei, mich daran zu gewöhnen.“
Der Versuchung widerstehend, ihren langsam größer werdenden Bauch zu berühren, konzentrierte Lilah sich stattdessen auf Eloisas Worte. Sie wollte mehr über diese Familie erfahren, die bald auch die Familie ihres Kindes sein würde. „Hatte Enrique kein Besuchsrecht, als du ein Kind warst?“
„Meine Eltern haben nie eine offizielle Sorgerechtsvereinbarung getroffen. Ich bin ihm als Kind nur einmal begegnet.“ Eloisa beugte sich vor, um nach ihrer Teetasse zu greifen. „Da war ich sieben.“
Lilah griff nach der Tasse, die Shannon ihr reichte, und überlegte, was sie über die Medinas wusste. „Das war Jahre, nachdem man Enrique zum letzten Mal gesehen hatte.“
Eloisa nickte lächelnd. „Ich wusste nicht, wohin die Reise ging, als meine Mutter und ich hierherflogen. Mir kam der Flug nur sehr lang vor. Aber in dem Alter kommt einem jede Fahrt wie eine Ewigkeit vor. Ich habe danach nie jemandem von dieser Reise erzählt, denn auch wenn ich damals keine enge Beziehung zu meinem Vater hatte, wusste ich doch, dass seine Sicherheit und die meiner Brüder von meinem Schweigen abhingen.“
Noch einmal schaute Lilah zu der Decke, die eine Mutter gemacht hatte, die ihre Kinder nicht mehr hatte aufwachsen sehen. „Hast du deine Brüder damals auch getroffen?“
„Duarte und Antonio waren hier“, antwortete Eloisa. „Carlos wurde zu der Zeit wieder einmal medizinisch behandelt.“
Die Teetasse klapperte auf der Untertasse. Lilah stellte beides vorsichtig ab und beschäftigte ihre zitternden Hände damit, dass sie nach einem Sandwich griff. „Die Reise muss dir damals merkwürdig vorgekommen sein.“
„Das kannst du wohl sagen, zumal meine Mutter da schon wieder geheiratet und ein Baby bekommen hatte.“
„Und was hat dein Stiefvater von der Reise gehalten?“
„Er hat nichts davon gewusst, und auch nicht von den Medinas … bis vor Kurzem, als alle Welt davon erfahren hat.“
„Der Tag, als die Enthüllung im Internet publik gemacht wurde, ist definitiv einer der denkwürdigsten meines Lebens“, warf Shannon ein.
„Als wir bei uns im Krankenhaus davon erfuhren, drehten alle fast durch, weil einer unserer Chirurgen ein Doppelleben geführt hatte“, erzählte Lilah.
Sie konnte sich nicht vorstellen, eine solche Existenz zu führen, voller
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