Prinzessin auf Probe?
ungleichmäßige Schritte langsam verhallten, sank Lilah auf eine Bank, weil die Beine unter ihr nachgaben. Sie wischte sich die Tränen ab. Hatte sie wirklich gerade ihrem Mann, mit dem sie erst seit zwei Tagen verheiratet war, den Laufpass gegeben?
Während der Operation hatte sie nichts gesagt und hatte eigentlich warten wollen, bevor sie ihre Koffer packte. Doch da Carlos sie gedrängt hatte, waren die Worte aus ihr herausgeströmt.
Ach, was hatte sie nur für ein Durcheinander in ihrem Leben angerichtet? Geistesabwesend drehte sie an ihrem Ehering – der wunderschöne Ring, mit dem sie so viel Hoffnung verbunden hatte. Ein Familienerbstück, das ein Vermögen wert war und ihr nicht gehörte. Sie musste es zurückgeben, ehe sie das Krankenhaus verließ.
Sie streckte die Beine auf der Kirchenbank aus und starrte auf die Diamanten, die im Kerzenlicht schimmerten. Die Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum, doch langsam forderte die Müdigkeit ihren Tribut. Die Augen fielen ihr zu, als der Schlaf sie übermannte. Dieses Mal, das wusste sie, würde sie nicht von Carlos träumen, der sie mit offenen Armen empfing.
Der Streit mit Lilah beschäftigte Carlos noch immer, als er am Bett seines schlafenden Bruders saß und über ihn wachte, damit seine Schwägerin sich ein wenig ausruhen konnte. Auch wenn Antonio nur acht Jahre jünger war als er, sah Carlos noch immer das Kind vor sich, das er gewesen war, als sie San Rinaldo verlassen mussten. In der Hand hielt er die goldene Taschenuhr und erinnerte sich an die Nacht, als sein Vater Antonio die Uhr gegeben hatte. Sie hatten sich darauf vorbereitet, San Rinaldo zu verlassen, und Enrique hatte seinem Jüngsten erklärt, er solle sie gut aufheben, bis sie sich wiedersahen.
An jenem schicksalsträchtigen Tag hatte Antonio die Uhr genommen, sich in die Wolldecke gehüllt, die ihn, wie er seinen Brüdern versichert hatte, beschützen würde, und die Uhr zu seinem Schatz erklärt. Er war ein Kind gewesen, das etwas gebraucht hatte, um das Unbeschreibliche verkraften zu können.
Kurz bevor sie das Schiff erreicht hatten, mit dem sie aus San Rinaldo hatten flüchten wollen, waren sie attackiert worden.
Carlos hatte Duarte gesagt, er solle auf Antonio aufpassen, während er als der Älteste ihre Mutter beschützen würde. Duarte hatte seine Aufgabe erfüllen können. Carlos nicht. Jetzt war es Antonio gewesen, der ihren Vater gerettet hatte.
Sie alle hatten einen weiten Weg hinter sich gelegt seit der albtraumartigen Flucht. Und doch hatte Carlos manchmal das Gefühl, noch dort zu sein, mit einem Zuhause und einer Familie. Doch die würde er nie wieder zurückbekommen.
Wen wunderte es da noch, dass er die Sache mit Lilah so in den Sand gesetzt hatte?
Sein Bruder öffnete mühsam die Augen und unterbrach damit seine düsteren Gedanken.
Carlos zwang sich zu einem Lächeln und legte die Uhr auf den Nachtschrank. „Willkommen unter den Lebenden.“
„Vater?“, flüsterte Antonio rau und zuckte zusammen, als er sich ein wenig bewegte.
„Dem geht es gut. Er schläft. So wie du es auch tun solltest. Du siehst nämlich ziemlich mitgenommen aus.“
„Redet man so mit dem Menschen, der die Situation gerettet hat?“, scherzte Antonio heiser.
„Ah, jetzt weiß ich, dass es dir besser geht.“
„Stimmt.“ Er lachte und begann dann zu husten, was ihm offensichtlich Schmerzen bereitete. „Danke, dass du hier bei mir sitzt, aber hast du nicht eine Braut, mit der du jetzt zusammen sein solltest?“
„Sie … äh … schläft im Hotel.“
Antonio hob eine Augenbraue, und auf einmal sah er sehr wach aus. Und sehr wissend. „Du bist ein erstaunlich schlechter Lügner.“
„Und du bist ein anstrengender Patient.“ Er reichte seinem Bruder ein kleines Kissen. „Halt das gegen die Schnittwunde, wenn du hustest. Husten ist gut, es dehnt die Lungen aus und hilft gegen Lungenentzündung. Üb das, während ich Shannon hole.“ Er wollte aufstehen.
Antonio umklammerte sein Handgelenk, und zwar mit einer erstaunlichen Kraft, wenn man bedachte, dass er gerade aus einer schweren Narkose aufgewacht war. „Was ist los? Und keine Ausreden. Wir kennen uns zu gut. Immer wenn dir etwas sehr unangenehm ist, benimmst du dich wie ein verdammter Arzt.“
Sein kleiner Bruder war definitiv kein Kind mehr. Trotzdem wollte Carlos seine Probleme nicht bei jemandem abladen, der in solch einer Verfassung war. Obwohl es unwahrscheinlich war, dass Antonio sich später daran erinnerte, denn
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