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Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Titel: Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Endl
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erhob sich vor ihr die Mauer. Dahinter hörte sie ein klägliches Wimmern. Das Tier hatte sich offenbar verletzt.
    „Ich helfe dir!“, schrie Skaia. „Wenn ich nur wüsste, wie“, fügte sie leise hinzu.
    Wie aus einem einzigen, matten, glatten, grauen Stein gehauen schien dieses Bauwerk. Kein Baum, kein Haus, kein Schuppen lehnte sich daran. Keine Chance zum Klettern. „Eine ungünstige Stelle“, dachte Skaia. Bestimmt fand sie eine bessere, wenn sie ein Stück an der Mauer entlang lief. Einen Weg gab es allerdings nicht. Der Boden war matschig, und wenn Skaias Schuhe einsanken, gab er sie nur schmatzend wieder frei. Dann wucherte wieder so viel Gestrüpp, dass Skaia Mühe hatte, sich durchzuschlagen. In ganz Sol hatte sie noch keinen derart ungepflegten Abschnitt gesehen. Die Mauer aber blieb ebenmäßig, wie aus einem Guss. Die Häuser hielten respektvoll Abstand, und keine Pflanze streckte sich höher hinauf als bis zu Skaias Schopf. Skaia hatte sich noch nie Gedanken über Mauern gemacht. Höchstens über die der Burg. Die waren dafür da, das Allerheiligste, den Siebenfachen Sonnenkreis, zu schützen. Nur der Gute Herrscher und die Eingeweihten hatten Zutritt. Aber hier? Was war hinter dieser Mauer, mitten in der Stadt? Musste hier auch etwas beschützt werden? Aber was war in einem Notfall, wie ihn Skaia eben beobachtet hatte? Sollte sie den Bezirksbeauftragten informieren? Der würde dann diejenigen benachrichtigen, die die zuständigen Leute alarmieren konnten ... Ob das arme Wesen auf der anderen Seite aber so lange durchhalten könnte?
    Zögernd war Skaia stehengeblieben ― unentschlossen, was sie tun sollte. Grimmig trat sie gegen das abweisende Steinungetüm. Da entdeckte sie eine feine Spalte, die vom Boden senkrecht in die Höhe führte. Weiter oben knickte sie in die Waagrechte, aber nur kurz, denn gleich ging es wieder abwärts. Eine Tür? Ohne Klinke, ohne Klingel, ohne sonst irgendetwas, das jemandem auffallen würde?
    „Hallo?“, rief sie. „Hallo, ist da jemand? Hört mich jemand?“
    Keine Antwort.
    „Da ist ein Tier von der Mauer gefallen und hat sich verletzt ... Hallo?“, versuchte sie es noch einmal. Dann hämmerte sie mit beiden Fäusten gegen die glatte Fläche, hielt inne und horchte ... Nichts! ... Oder doch? Ein schabendes Geräusch. Zweimal, dreimal.
    „Klong“ machte die Tür und sprang auf. Erstaunt steckte Skaia ihre Nase durch den schmalen Spalt.

 

Vor ihr lag ― ja, wie sollte sie es nennen? Es war viel zu groß für einen Garten. Außerdem sah sie nirgends Gemüsebeete. Es war viel zu wild für einen Wald. Die wohl geordneten Jahrgangsklassen einer Baumschule gab es hier offensichtlich nicht. Es war viel zu düster für eine Naherholungsgrünanlage. Dafür fehlten auch die typischen solterranischen Blumenwappen. Stattdessen nur ungebändigtes Wachsen und Wuchern. Hier kam offenbar niemand her, der regelmäßig mähte und die ungewöhnlich üppigen Pflanzen in Form brachte. Das einzige Zeichen dafür, dass Skaia nicht die erste war, die das Gelände betrat, war ein Trampelpfad, der vom Eingang fort und mitten hinein ins Grün führte. So etwas kannte man in Solterra nicht. Straßen, Gassen und noch der kleinste Durchgang wurden nach den Ratschlüssen der Eingeweihten überaus korrekt angelegt. Niemand hätte so schlampig einen Weg in die Landschaft gebahnt. Der schmale Pfad schlängelte sich durch wadenhohes Gras, wand sich an stacheligen Sträuchern vorbei und verlor sich unter den tief herabhängenden Ästen unbekannter Bäume. Fast glaubte Skaia zu spüren, wie hier alles lebte und sich ihr neugierig zuwandte. Ein Geräusch, das wie das Brummen eines kleinen Motors klang, drang an ihr Ohr. Ein wolliges Etwas schmiegte sich an Skaias Schienbein. Mit einem Aufschrei stieß Skaia das helle Fellknäuel von sich.
    Es fiel auf den Rücken, drehte sich jedoch blitzschnell wieder auf alle Viere, verharrte in gespannter Haltung und fixierte Skaia ― aber nur für einen kurzen Moment. Dann ließ es sich gelassen auf den Hinterpfoten nieder. Natürlich, das musste das Tier sein, das Skaia beobachtet hatte. Sein Fell war weiß und wirkte so unglaublich flauschig, dass Skaia am liebsten hineingegriffen hätte. Aber das kleine Wesen blickte sie aus funkelnden Bernsteinaugen an, als wolle es das unfreundliche Verhalten von Skaia tadeln. Darunter schnupperte das rosa Näschen, auf dem ― etwas aus der Mitte gerutscht ― ein schwarzer Punkt prangte.
    Skaia beugte sich

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