Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)
bestückt. Die einzigen Orte, an denen es dunkel sein durfte, waren die Kühlschränke. Doch in denen würde sich bestimmt niemand verstecken. Und selbst wenn ― er wäre vor lauter Bibbern und Frösteln überhaupt nicht in der Lage gewesen, böse Pläne auszubrüten.
Völlig außer Puste hatte Skaia ihren Lauf verlangsamt und war schließlich stehen geblieben. Sie hatte die Katze verloren. Unschlüssig blickte sie sich um. An einem Busch direkt neben ihr hingen rote Beeren. Ein blau schimmernder Käfer krabbelte darüber. Mit seinen kleinen Zangen griff er nach den leuchtenden Kügelchen. Knackend zwickte er eines ab.
Hinter dem Busch wurde es heller. Führte der Pfad wieder ins Freie? Skaia stolperte an der nächsten Kurve fast über die Katze. Offenbar hatte das Tierchen Skaia die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen. Jetzt schnurrte es selbstzufrieden.
Vor Skaia tat sich eine Lichtung auf. Vielmehr: Sie leuchtete ihr entgegen. Mittendrin stand ein flacher, runder Bau ganz aus Glas, der die Strahlen der Sonne widerspiegelte. Auf der Wiese drum herum funkelten in allen Farben eigenartige Figuren. Als Erstes erkannte Skaia ein Elefantenbaby, das in seiner Bewegung wie erstarrt war. Springend warf es die Beine nach vorne und nach hinten. Mit seinem Bäuchlein balancierte es auf einem massiven, orangenen Sockel. Obwohl sich Skaia gar nicht vorstellen konnte, dass dies eine bequeme Lage war, lachte der kleine Dickhäuter mit vollen Backen. Er wirkte ganz anders als die Elefanten, die Skaia in Kreaturenkunde auf Bildern gesehen hatte. Mit seinen Riesenohren war er viel drolliger. Vorsichtig berührte Skaia sein pralles Hinterteil. War das ein Kunstwerk? Dann war es sicher hierher verbannt worden, weil es nicht den Regeln der Erbauungsanstalt entsprach. Es verführte eher zum Lachen als zur Besinnung, eigentlich sogar zum Hinaufklettern. Schließlich reichte es Skaia gerade mal bis zur Brust. Es widersprach jedem Wirklichkeitssinn. Und ihm fehlte das, was solterranische Statuen vor allem auszeichnete: allerhochehrwüdigste Langeweile.
Staunend streifte Skaia durch das Figurenfeld. Sie kam an Enten im Ringelpulli vorbei, an karierten Kühen, an einem Häuschen, das seine beiden Arme ― ja, Arme! ― vor der Eingangstür verschränkt hielt. Eine Giraffe mit Knoten im Hals schielte in den Himmel und ließ ihre lange Zunge schlapp aus dem Maul hängen. In einem mannshohen Glaskasten beugte sich eine spitznasige, hässliche Frau über eine kristallklare Kugel. Die grauen Haare hingen ihr strähnig ins Gesicht. Aus irgendeinem Grund schien die Kugel sehr interessant für die Alte zu sein, denn sie stierte so angestrengt hinein, als ob sie in dem Ding weit mehr sähe als nur ihr eigenes, verzerrtes Spiegelbild. Die meisten kuriosen Wesen auf der Wiese bedauerte Skaia ein wenig, weil sie so stocksteif und leblos herumstehen mussten. Bei der Frau hingegen war sie heilfroh, dass sie nicht plötzlich den Kopf von ihrer komischen Kugel abwandte und Skaia entdeckte. Sicher hätte sie, erbost über die neugierigen Blicke Skaias, die Scheibe eingeschlagen und mit ihren knochigen Fingern nach ihr gegriffen.
Daneben stand eine Pilzfamilie: Papa, Mama und zwei Kinderchen. Sie wirkten äußerst putzig, obwohl sie viel größer waren als normale Pilze. Der höchste reichte Skaia immerhin bis zur Hüfte. Sie hatten knubbelige Gesichter an den weißen Stielen, und aus ihren roten Schirmen ragten in der Mitte Griffe. Skaia fasste nach dem des Pilzvaters und kraxelte auf das weiche, gummiartige Halbrund. Kaum saß sie oben, schwankte der Pilz unter ihrem Gewicht in alle Richtungen. Skaia schrie auf und hielt sich mit beiden Händen fest. Schnell merkte sie, dass sie das Geschaukel steuern konnte, je nachdem, wohin sie sich beugte. Manchmal neigte sich der Stiel so weit nach unten, dass Skaia befürchtete, er käme nicht mehr hoch. Aber der Pilz schnellte umso stärker zurück, und Skaia quietschte vor Vergnügen. Als sie heruntersprang, weil ihr der Kopf schwirrte, tauchte maunzend die Katze vor ihr auf.
Es sah ganz so aus, als wolle Skaias Begleiterin wieder die Führung übernehmen, denn sie lief entschlossen in die Richtung des bungalowgroßen Glaspavillons. Als sie vor der hohen Rundumscheibe nicht abbremste, war sich Skaia nicht mehr sicher, ob die Katze wusste, was sie tat. „Gleich wird sie dagegen rennen“, dachte sie sich und wollte die Verrückte warnen.
„Das musst du nicht!“, dachte die Katze zurück. Da knackte es
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