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Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Titel: Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Endl
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vorsichtig zu dem Tierchen hinunter, um herauszufinden, ob es sich beim Sturz tatsächlich verletzt hatte. Vielleicht war ein Bein gebrochen? Aber es gab gar kein Gejammer mehr von sich. Stattdessen ― konnte das denn sein? ― zwinkerte es Skaia zu. Und zog den linken Winkel seines Mäulchens nach oben. Die Mimik war eindeutig. Es amüsierte sich.
    Skaia wollte es sich nicht recht eingestehen, aber irgendetwas an ihrem Gegenüber schlug sie in Bann. Und obwohl es äußerst unsinnig war, das sicherlich wenig vernunftbegabte Wesen etwas zu fragen, tat sie es trotzdem: „Was willst du von mir?“
    Als ob es eine Antwort geben wollte, rieb das Tier sein Köpfchen wieder an Skaias Schienbein. Die Stelle wurde ganz warm. Oder kalt? Was war das für ein Gefühl, das da von den Beinen hoch zum Bauch strömte, das ihre ganze Brust überschwemmte, bis in die Fingerspitzen floss und wie eine rauschende Welle in ihren Kopf schwappte? Sie sah in die gleißende Sonne, spürte aber etwas ganz anderes. Kühl und doch geborgen, dunkel und doch glitzernd, unentdeckt und doch vertraut. Plötzlich war Skaia sicher, dass es absolut verboten war, hinter dieser Mauer herumzustrolchen. Aber es störte sie nicht. Sie erinnerte sich an die Mahnungen, das Auftauchen seltsamer Gestalten zu melden und den Kontakt mit ihnen zu meiden. Aber es kümmerte sie nicht im Geringsten. In Skaias Kopf überschlugen sich die Fragen. Und auf einmal tauchte ein ganz fremder Gedanke auf: „Wunderbar! Du lernst schnell!“
    Was dachte sie da? Skaia presste ihre Handballen gegen die Schläfen.
    „Du denkst, dass du das denkst? Das ist doch Unsinn. Denk doch mal nach, wer hier noch denken könnte außer dir.“
    Skaia machte fest die Augen zu und hoffte inständig, dass ihr einfallen möge, wie sie das Durcheinander in ihrem Kopf wieder sortieren könnte.
    „Du tust dir leichter, wenn du die Augen wieder öffnest. Sieh mich an, wenn ich dich andenke!“
    Was für ein Quatsch! Wohin sollte Skaia denn schauen? In ihren eigenen Kopf?
    „Nach unten natürlich. Ich sitze noch immer im Gras!“
    Skaia senkte den Blick. Da saß das kleine Tier, streckte ihr eine Vorderpfote entgegen und winkte ihr ungelenk zu.
    „Hallo! Hier!“, hallte es in Skaias Kopf.
    „Hallo ...“, antwortete Skaia. Aber es klang alles andere als überzeugt.
    „Katzen kennt ihr hier nicht, oder?“, schaute das Tier fragend zu Skaia hinauf. „Also, ich bin eine.“
    Skaia nickte mechanisch. Von Katzen hatte sie gehört. Aber das waren alles nur Mythen, Märchen, Sagen, die man sich erzählte. In der Dunklen Zeit sollte es sie gegeben haben, als Solterra noch gegen die Mächte der Finsternis kämpfen musste. Tiere der Nacht, schmeichlerische Wesen seien sie gewesen, die stets ein Geheimnis um sich gemacht hätten. Rätselhafte Geschöpfe.
    „Rrrrätselhaft“, wiederholte die Gedankenstimme genussvoll. „Das wäre ja auch noch schöner, wenn ihr in uns so hineinsehen könntet wie wir in euch. Jedem seine Spezialbegabung!“, kommentierte die Katze in Skaias Kopf.
    Unendlich viele Fragen wollte Skaia stellen. Aber heraus kam nur: „Wo kommst du her? Es heißt doch, ihr seid mit der Finsternis verschwunden.“
    „Bei uns heißt es, ihr seid mit der Sonne verschwunden“, entgegnete die Katze. Dann streckte sie gähnend die Hinterbeine und wurde ganz lang dabei. „Es wird Zeit, Skaia. Komm!“ Und schon verschwand sie hinter der nächsten Biegung.
    „Warte“, rief Skaia und hatte Mühe, hinterherzukommen. Der Boden war uneben. Sie spürte Steine unter ihren Füßen. Im Zickzackkurs wand sich der Pfad um dichte Büsche, sodass Skaia nur ein kleines Stück des Weges vor sich überblicken konnte. Und immer sah sie gerade noch die weißen Hinterläufe der Katze um die nächste Biegung springen.
    Erst als es dunkler wurde, bemerkte Skaia, dass über ihr längst kein Himmel mehr zu sehen war. Mächtige Baumkronen, deren dichter Wuchs ihr schon aus der Ferne nicht ganz geheuer gewesen war, verdeckten ihn. Ob sie umkehren sollte?
    „Finsternis verheißt nichts Gutes“, war nicht nur von Klirr gepredigt worden. Wer etwas zu verbergen hatte, ja, der suchte nach den Schatten statt nach den Strahlen der Sonne. Natürlich musste er da in Solterra lange suchen, denn das ganze Land war lichtdurchflutet und wurde nie dunkel. Alle Räume in den Häusern waren hell wegen der riesigen Fenster, selbst die Dachböden lagen unter roten Schindeln aus Glas. Alle Keller hatte man mit starken Lampen

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