Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)
laut im Glas, als springe ein Teil heraus. Und genau das geschah auch: Ein türgroßer Ausschnitt löste sich aus der Fläche, rutschte ein kleines Stück zurück und glitt zischend zur Seite. Mit unvermindertem Tempo trippelte die Katze in den Pavillon und sprang mit einem Satz auf den Rücken eines schwarzen Pferdes, das gemeinsam mit einigen anderen gesattelt in der Mitte der Halle stand. Im ersten Augenblick sah es für Skaia so aus, als ob der Rappe nur darauf gewartet hatte, seine Reiterin so schnell wie der Wind davonzutragen. Aber beim Nähertreten bemerkte sie, dass alle Pferde auf einem Rondell hintereinander im Kreis gruppiert waren. Und all die schwarzen, weißen, rotbraunen, gelblichen, gescheckten Hengste, Stuten und Fohlen waren ebenso erstarrt wie die Geschöpfe draußen auf der Wiese. In der Mitte des Reigens erhob sich eine silbern glitzernde Säule. Sie trug das ausladende, üppig verzierte Dach, das sich schützend über das ganze Rondell wölbte.
„Alles aufsteigen! Gleich geht’s rund in unserem magischen Karussell!“ Die Katze warf Skaia einen auffordernden Blick zu, schickte zur Bekräftigung ein Maunzen hinterher und krallte sich in die Mähne ihres Rappens. Dann rieb sie ihr Köpfchen an seinen kräftigen Nacken.
Skaia war gerade dabei, auf eines der Pferde aufzusitzen, da ging ein Schütteln durch den Tierkörper. Skaia fiel fast vom Podest vor Schreck. Ein paar Meter hinter ihr schloss sich zischend die Schiebetür. Vor ihr hing die weiße Katze in der schwarzen Mähne und maunzte ungehalten.
„Ich kann leider nicht umhin, meine Liebe, Ihnen den guten Rat zu geben, an Ihrer Stimme zu arbeiten“, hallte es plötzlich durch den Raum.
Skaia blieb stocksteif stehen. Bisher hatte sie nur auf das „magische Karussell“ geachtet. Jetzt erst bemerkte sie, dass dahinter ein windschiefes, vollgestopftes Regal stand. Von dort schien der Ruf gekommen zu sein. Aber es saß ja wohl kaum jemand eingeklemmt zwischen den Brettern und warf mit guten Ratschlägen um sich. Die Katze wandte den Blick ebenfalls dem Regal zu und knurrte ungnädig.
Sogleich kam als Antwort: „Oho! Ich muss es wohl deutlicher formulieren, und ich hoffe, Sie nehmen es gelassen auf und mir nicht übel: Es klingt wie die ärgste Katzenmusik, was da Ihrem Munde entfährt! Zweifellos verstehen Sie, dass ich Sie höflichst ersuchen muss, Ihre abscheuliche Stimme in meiner Gegenwart nicht mehr zu erheben!“
Skaia war vom Podest heruntergestiegen und zögerlich auf das Regal zugegangen.
Da bewegte sich etwas. Es war kaum größer als Skaias Hand, hatte einen Kopf und einen Oberkörper, der sich plötzlich vor Lachen schüttelte.
„Ach, was bin ich für ein dummer Esel ― wahrscheinlich sind Sie tatsächlich eine Katze. Nun gut, dann können Sie ja nichts für Ihr billiges Gekrächz. Aber ― vielleicht sind Sie so gütig, mich umzudrehen? Sie sehen ja, in welch misslicher Lage ich mich hier befinde.“
Der Quatschkopf hatte Skaia noch immer nicht bemerkt, obwohl sie neugierig an ihn herangetreten war. Er konnte sie nicht sehen, denn er stand so im Regal, dass er durch die Glaswand ins Freie blickte. Und er konnte auch nichts daran ändern. Hüftabwärts, wo normalerweise die Beine beginnen, bestand er aus einem Metallgewinde voller Rostflecken.
„Es wäre mir eine Freude, Ihnen vorzuführen, wie superb Musik klingen kann, wenn man ein klein wenig Talent besitzt ― ja ja, ich weiß, ich neige schamlos zur Untertreibung ...“, plapperte er auf die Katze ein, die es sich inzwischen auf dem Pferdekopf bequem gemacht hatte. Sie gähnte gelangweilt und streckte ihre dünne, rosarote Zunge unverschämt weit in die Richtung der unterleibslosen Quasselstrippe.
„Und, meine liebe Frau Katz‘, bezahlen können Sie gerne in Golddukaten. Wenn es sein muss, auch in Applaus. Sie werden sagen, der Beifall sei das Brot des Künstlers, aber auch ein Musiker-Magen knurrt: ‚Wo bleibt die Wurst? Wo ist der Lachs? Der Kapaun, das liebe Federvieh? Das Sachertörterl bitteschön dankeschön? Und ein Likörchen für eine bessere’ ― Hilfe! ...“
Skaia hatte den sich offenbar hungrig redenden Feinschmecker am Gewinde gepackt und hochgehoben. Er wedelte wild mit den Armen, als könne er sich so wieder ins Gleichgewicht bringen. In der rechten Hand hielt er einen winzigen Stab, mit der linken rückte er fahrig seine Perücke zurecht. Das weiße Locken- und Zopf-Gebilde war ihm fast bis auf die Nase gerutscht. Das Männchen ohne
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