Prinzessin in Pink
unschuldig. » Pardon , Amelia? Ich weiß nicht, wovon du redest.«
»Von gestern«, wiederholte ich. »Von meinem Geburtstagsessen im ›Les Hautes Manger‹. Deinetwegen ist der Tellerwäscher rausgeschmissen worden. Es stand heute in allen Zeitungen.«
»Ach das.« Grandmère rührte unbeteiligt mit dem Strohhalm in ihrem Sidecar.
»Ja und?«, fragte ich. »Was willst du jetzt unternehmen?«
»Unternehmen?« Grandmère schien ehrlich überrascht. »Nichts natürlich. Was gäbe es denn da zu unternehmen?«
Eigentlich hätte es mich nicht schockieren dürfen. Grandmère interessiert sich nicht für Dinge, die sie nicht unmittelbar etwas angehen.
»Grandmère! Ein Mensch hat deinetwegen seinen Arbeitsplatz verloren«, rief ich. »Du musst was machen! Vielleicht muss er sonst verhungern.«
Grandmère verdrehte die Augen. » Mon Dieu , Amelia. Ich habe dir doch schon ein Waisenkind besorgt. Willst du jetzt auch noch einen Tellerwäscher adoptieren?«
»Nein. Aber Jangbu konnte nichts dafür, dass er dich mit der Suppe bespritzt hat. Es war quasi ein Unfall. Und dein Hund war schuld.«
Grandmère hielt Rommel eilig die Ohren zu.
»Nicht so laut!«, raunte sie. »Er ist so sensibel. Der Tierarzt hat gesagt …«
»Was der Tierarzt gesagt hat, ist mir egal!«, brüllte ich. »Du musst was tun! Meine Freunde versammeln sich gerade vor dem Restaurant und demonstrieren!«
Um meine Worte zu unterstreichen, stürzte ich zum Fernseher und schaltete auf New York One . Im Grunde erwartete ich gar nicht, dass die wirklich was über Lillys Aktion bringen würden. Bestenfalls vielleicht einen Verkehrshinweis über einen Stau in der Gegend um das Restaurant, wegen der üblichen Gaffer, die Lillys Spektakel natürlich anlocken würde.
Entsprechend verdutzt war ich, als ein Reporter ins Bild trat und die »ungewöhnliche Szene« beschrieb, »die sich in diesen Minuten vor dem eleganten Vier-Sterne-Restaurant ›Les Hautes Manger‹ auf der 57. Straße abspielt.« Im Hintergrund sah man Lilly mit einem Riesenschild auf und ab marschieren, auf dem zu lesen war: »DAS ›LES HAUTES MANGERS‹ IST EIN AUSBEUTERVEREIN.« Dass Lilly es geschafft hatte, so viele Albert-Einstein-Schüler zum Mitmachen zu überreden, überraschte
mich nicht so sehr. Ich hatte damit gerechnet, dass Boris da sein würde, und war auch nicht besonders erstaunt darüber, dass der Arbeitskreis Sozialistischer Schüler vollzählig versammelt war, weil die ja bei jedem Protestmarsch mitmachen, der sich finden lässt.
Nein, was mich wirklich überraschte, waren die vielen mir völlig unbekannten Männer, die sich Lilly und den anderen angeschlossen hatten.
Der Reporter klärte mich sehr schnell auf.
»Tellerwäscher aus dem gesamten Stadtgebiet haben sich hier vor dem ›Les Hautes Manger‹ versammelt, um ihre Solidarität mit Jangbu Panasa zu demonstrieren, dem Angestellten des Lokals, dem gestern Abend nach einem Vorfall mit der genovesischen Fürstinmutter fristlos gekündigt wurde.«
Grandmère ließ das alles völlig kalt. Sie warf einen flüchtigen Blick auf den Bildschirm und schnalzte mit der Zunge.
»Tss...« Sie schüttelte sich. »Blau ist nicht gerade die ideale Farbe für Lilly, oder wie siehst du das?«
Ich weiß echt nicht, was ich mit dieser Frau tun soll. Sie ist absolut UNMÖGLICH.
Freitag, 2. Mai, bei mir im Zimmer
Man sollte meinen, ich würde zumindest in den eigenen vier Wänden ein wenig Ruhe finden. Weit gefehlt. Als ich nach Hause kam, flogen bei Mom und Mr G gerade die Fetzen. Normalerweise streiten die beiden darüber, dass Mom eine Hausgeburt mit Hebamme will, Mr G aber möchte, dass sie in die berühmte Mayo-Klinik geht und das Baby dort unter Aufsicht des gesamten Krankenhauspersonals kriegt.
Aber diesmal ging es um den Namen. Mom will das Baby entweder (falls es ein Mädchen wird) nach Simone de Beauvoir Simone nennen oder (falls es ein Junge wird) Sartre … wahrscheinlich nach irgendeinem Sartre.
Mr G will ein Mädchen aber nach seiner Großmutter Rose nennen und einen Jungen Rocky … wahrscheinlich nach Sylvester Stallone. Ich finde Rocky gar nicht so schlecht, weil ich den Film gesehen hab und Rocky ja ein echt netter Typ war.
Aber Mom hat gesagt, nur über ihre Leiche wird ihr Sohn - falls es ein Junge wird - den Namen eines nahezu analphabetischen Preisboxers tragen.
Dabei finde ich Rocky immer noch besser als den letzten Jungennamen, auf den sie sich geeinigt hatten: Granger. Zum Glück hab ich gleich in
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