Prinzessin oder Erbse
zuerst, diese Frau Schulze will mich verulken. Wer bekommt schon einen Job beim Fernsehen über das Arbeitsamt? Jedenfalls befinde ich mich auf dem Weg zu den Scarlett-Studios am Rande von Hamburg, um mich dort als Presseassistentin für die vor fünf Monaten gestartete Telenovela »Liebe à la carte« vorzustellen.
»Das ist ja Wahnsinn!«, kreischt Julia in den Hörer, der ich natürlich gleich per Handy davon berichten muss. Sie ist nämlich ein Fan. Gerade will sie anfangen, mir die Ohren über den Hauptdarsteller vollzuschwärmen, da unterbreche ich sie.
»Darüber können wir gerne ausführlich reden, wenn ich nach Hause komme. Und ich verspreche, wenn ich den Job bekomme, dann besorge ich dir sein Autogramm. « Sie quiekt wie ein Teenager, und ich fahre grinsend fort: »Aber dafür muss ich die Stelle erstmal haben, und darum muss ich jetzt von dir alles wissen, was du über die Serie weißt.« Ich fühle mich ein wenig unbehaglich, so unvorbereitet in das Gespräch zu gehen, aber Frau Schulze vom Arbeitsamt hat sofort einen Termin
für mich vereinbart. »Bei denen brennt die Hütte«, hat sie gemeint, und dass ich möglicherweise genau die Richtige für den Job sei. Wie auch immer sie darauf kommt, ich kann mir Schlimmeres vorstellen, als beim Fernsehen zu arbeiten.
»Also«, beginnt Julia, während ich einen Blick auf den Stadtplan auf meinem Beifahrersitz werfe, um sicherzugehen, dass ich noch auf dem richtigen Weg bin, »gedreht wird in den Scarlett-Studios in Hamburg-Wedel, die wurden extra für diese Produktion gebaut. Da steht eine riesige Villa, fast so eine Art Schloss, in der sich ein Restaurant befindet. Das Schlossrestaurant Castello, seit Jahrzehnten im Besitz einer alten Hamburger Adelsfamilie, den Lichtenbergs.«
»Aha.«
»Die weibliche Hauptrolle ist ein Mädchen aus armen Verhältnissen …«
»Was du nicht sagst«, sage ich mit kaum verhohlenem Spott in der Stimme.
»Sie heißt Lara und arbeitet seit kurzem als Kellnerin im Castello«, fährt Julia fort, ohne meinen Einwurf zu beachten. »Die Schauspielerin heißt Nadja Reichert, kennst du sie?«
»Äh, nein«, gebe ich bedauernd zu und folge den Schildern in Richtung Wedel.
»Du kennst sie, wenn du sie siehst. Sie ist wunderschön und hat schon in tausend Soaps mitgespielt.«
»So was gucke ich nicht.«
»Auch, als du so was noch geguckt hast«, sagt sie mit leicht genervtem Unterton, »und vielleicht solltest du in deinem Vorstellungsgespräch vorsichtig mit solchen Äußerungen sein.« Ich beiße mir auf die Unterlippe.
»Da hast du Recht. Aber jetzt mal ehrlich, das ist doch der reinste Trash, oder etwa nicht?«
»Jetzt komm mal von deinem hohen Ross runter«, gibt Julia gereizt zurück, »die Serie ist wirklich gut. Nicht einfach nur schmalzig, sondern richtig witzig und amüsant. Du kannst dir doch gar kein Urteil erlauben, wenn du sie noch nicht gesehen hast. Oder möchtest du, dass irgendjemand deine Bücher anhand ihrer Verkaufszahlen beurteilt?« Autsch, das ging jetzt aber weit unter die Gürtellinie. Das merkt Julia anscheinend auch, denn sie fügt zerknirscht hinzu: »Das habe ich nicht so gemeint, entschuldige.«
»Schon gut. Stimmt ja eigentlich«, gebe ich friedfertig zu. »Also, wie geht die Geschichte weiter?«
»Lara ist also diese leicht tollpatschige Kellnerin, bei der an ihrem ersten Tag so ziemlich alles schiefläuft. Ausgerechnet an dem Tag hat der Sohn des Hauses, der lange im Ausland war, um Spitzenkoch zu werden, incognito als Gast einen Tisch im Restaurant bestellt, um sich einen Eindruck von seinen zukünftigen Angestellten zu machen. Er heißt übrigens Maximilian.«
»Lass mich raten, sie gerät furchtbar mit ihm aneinander und erfährt dann, dass er ihr zukünftiger Chef ist. Oder nein, vermutlich übergießt sie ihn mit heißer Suppe, richtig?«
»Stimmt«, gibt Julia ein wenig überrascht zurück.
»Und zwischen den beiden funkt es ganz gewaltig, aber es darf nicht sein, weil sie seine Angestellte ist?«
»Äh, ja. Aber letzte Woche haben sie sich zum ersten Mal geküsst.« Sie seufzt verzückt, und ich grinse in mich hinein.
»Dann wird es ja höchste Zeit, dass seine ehemalige
Liebe auftaucht, oder noch besser, die Ehefrau, die ihn schändlich verlassen und sein Herz gebrochen hat«, tippe ich ins Blaue hinein, und Julia ruft aufgeregt: »Meinst du, das war seine Frau?«
»Wer?«
»Also, gestern war eine große Festgesellschaft im Castello, und Maximilian hat sich mal wieder selbst
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