Prinzessin
Vernichtung kein weiteres Mal geschehen, zumal Trent nunmehr der Hausherr war.
Kapitel 15
Eine Blumenwiese. Eine vollkommen unerwartete, geradezu surreale Szene, die sich ihren Augen bietet. Eine Wiese, randvoll mit Blumen, umgeben von Flecken aus hohem Grün. Inmitten einer öden Landschaft, die einer Tundra im Frühjahr gleicht, kurz bevor die Luft spürbar warm geworden ist, bevor die Sonne tagsüber lang genug am Himmel steht, um das Wachstum anzuschieben.
Kein sonderlich ausgedehnter Fleck, sie braucht gerade mal 69 Schritte von einem Ende zum anderen, aber das, was sie zu sehen bekommt, ist der schönste Anblick, den sie seit Jahren genossen hat.
Das Gras präsentiert sich in einem satten Grünton, die Blütenpflanzen und Disteln sprießen in Dutzenden Farben, Formen und Größen aus der Erde, sie wuchern geradezu.
Misstrauisch schaut sie sich um, versucht mehrere Minuten lang, eine Bewegung zu erkennen oder irgendwas anderes Auffälliges zu erspähen, einen Hinweis darauf, wie dieses Wunder zustande gekommen ist. Dieser prächtige Fleck kann nicht von allein entstanden sein, das ist überaus unwahrscheinlich.
Kein amoklaufender Gärtner mit erhobener Gartenschere, auf den Klingen die trockenen Blutspuren dahingemetzelter Gartenfreunde, fällt über sie her, wild schreiend, die Augen strahlend im Wahn des Fanatismus. Kein Gebrüll von wegen heiliger Blumen und der Jungfräulichkeit dieses Gartens, nichts.
Aber wie kann es diese Oase ausgesprochener Schönheit sonst geben, wenn sie nicht von einem hingebungsvollen Gärtner gesät, gehegt und gepflegt wurde? Die Sonne ist so selten zu erspähen, der Regen an manchen Tagen giftig, die Landschaft devastiert.
Sie erinnert sich nicht mehr, wie Blumenwiesen früher ausgesehen haben. Ob wirklich derart viele Blütenpflanzen zu sehen waren?
Wo finden sich Krabbeltiere und Flieger, die man braucht, um für die Bestäubung zu sorgen, für die Verbreitung von Blütenstaub und Pollen? Gibt es denn noch Bienen? Sind die Blumenpflanzen überhaupt fruchtbar, können sie die Insekten ernähren?
Fragen, die sie sich bisher nie gestellt hat und für die sie natürlich keine Antworten parat hat.
Mit Bedacht setzt sie ihr Gepäck ab, blickt sich ein letztes Mal um und geht auf die Knie, stützt sich auf den Händen ab und senkt den Kopf zur nächsten Blume hinab. Sie schnuppert, atmet eine Nase voll von süßem Duft ein.
Die Pflanze riecht tatsächlich.
Wie schön. Der Geruch zaubert ein Lächeln in ihr Gesicht, und plötzlich sieht She wie eine glückliche Frau aus, unbeschwert und fröhlich, so wie zu jenen Zeiten, als sie noch Schmetterlinge im Bauch hatte, frisch verliebt war und die Welt noch nicht zu diesem düsteren Ball aus Dreck und Gewalt mutiert war, der jetzt ihren Lebensraum darstellt.
Für einen Augenblick ist die grimmige Kriegerin zurückgewichen und hat der lebensfrohen Frau den Vortritt gelassen.
She hockt sich auf die Fersen, betrachtet das Feld und erfreut sich an dieser Augenweide. Schließlich kann sie sich nicht mehr zurückhalten. Sie streckt einen Arm aus, nähert eine Handfläche ganz vorsichtig den Blüten, um sie zu berühren und ... zieht die Hand langsam wieder zurück.
Sie hat Angst, der Pflanze wehzutun.
Der Anblick des winzigen Paradieses ist ihr zu wertvoll, um ihn durch einen unbedachten, ungeschickten Kontakt zu beschädigen.
Zugegeben, die Hälfte aller Dinge, die sie sieht, hat mehr mit dem zu tun, was früher einmal Fantastik war, als mit Realität, aber trotzdem. Auch eine mutierte Natur legt kaum Blumenwiesen auf beinah quadratischen Flächen an.
Sie weiß die Mühe und die Arbeit, die hierin stecken müssen, zu schätzen, auch wenn sie sich nicht vorzustellen vermag, wie viel Plagen die Schöpfer dieses Wunders auf sich genommen haben.
Sie zupft an einem der kniehohen, schmalen Gräser am Rand, um wenigstens eine der Pflanzen zu berühren, und zuckt überrascht zusammen, als sie sich dabei schneidet. Ein Schnitt klafft in ihrer Fingerkuppe auf und füllt sich rasch mit Blut, das einen großen Tropfen bildet, der dem Zug der Schwerkraft folgt und sich von ihrem Finger löst, hinabfällt auf den Grashalm, der ihr diese Wunde zugefügt hat.
Fasziniert beobachtet sie, wie ihre Blutspende vom Gras zügig, beinah gierig aufgesaugt wird, bis keine Spur zurückbleibt.
Vorsichtig nähert sie ihren Zeigefinger der Pflanze und berührt sie zaghaft. Das Gewächs schnellt vor und wickelt sich um das oberste Fingerglied.
Halme
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