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Prinzessinnensöckchen (German Edition)

Prinzessinnensöckchen (German Edition)

Titel: Prinzessinnensöckchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Benedikt
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schienen, in Wahrheit aber auf irgendeiner Lichtung bei irgendeiner Jagdhütte endeten. Es war ein Mischwaldgebiet, wildreich, mit vielen dunklen Ecken, die man besser mied, wenn man eine Frau und allein unterwegs war. Mord? Eine Frau, dachte Carmen unwillkürlich. Nie war hier etwas passiert, aber einmal ist immer das erste Mal.
    Sie fand die Abzweigung auf Anhieb. Ein holpriger, schmaler Feldweg, zu beiden Seiten mit hohem Wildwuchs zwischen dichtstehenden Fichten. War sie schon einmal hier gewesen? Nicht anzunehmen. Solche Pfade, kaum breit genug für einen Kleinwagen, mied sie geflissentlich. Und mit dem Auto durfte sie hier eigentlich nicht fahren. Aber sie hatte ja einen Presseausweis.
    Es wurde eine kurze Fahrt. Schon nach hundert Metern sah sie die beiden blauen Polizeifahrzeuge und einen Krankenwagen, der es erstaunlicherweise ebenfalls über den schmalen Pfad hierher geschafft hatte. Ein Polizist saß in der Hocke daneben und wandte ihr nun sein Gesicht zu. Jung. Nett. Instinktiv öffnete Carmen einen weiteren Knopf an ihrer Bluse.
    »Sie werden dich hassen, Mädchen«, hatte ihr Köhler damals am Ende des Vorstellungsgesprächs prophezeit. Dass er sie Mädchen nannte, nervte sie schon. »Pressefuzzis, das sind für Polizisten die Hämorrhoiden am Arsch, zu nichts nütze, stehen nur im Weg rum, machen Arbeit, sind lästig. Also: Arbeite mit deinen eigenen Waffen.« Dass er sie sofort duzte, nahm sie in Kauf.
    Deshalb war sie eingestellt worden. Später hatte sie erfahren, dass Köhler immer junge Frauen für den Job nahm, »Mädchen« Mitte Zwanzig, die nicht nur für wenig Geld zu arbeiten bereit waren, sondern auch süß genug lächeln konnten, um selbst grantelige Polizisten, verklemmte Vorsitzende von Briefmarkenvereinen oder maulfaule Finanzbeamte zu erweichen. Blond mussten sie nicht unbedingt sein, war aber auch kein Nachteil. Gute Figur, ansprechendes Gesicht, ein wenig schauspielerisches Talent zum zwanglosen Flirt, wissen, wie man auf den Auslöser einer Digitalkamera drückt: voilà. Alles Talente, von denen Köhler zu glauben schien, jede ordentliche Frau bringe sie schon von der Wiege her mit.
    Ein Job auf Lebenszeit war das hier sowieso nicht. Seit sieben Monaten arbeitete Carmen nun schon für das Anzeigenblättchen und war drauf und dran, den bisherigen Rekord ihrer Vorgängerin zu brechen, die es heldinnenhaft beinahe ein ganzes Jahr unter Köhlers Regiment ausgehalten hatte. Ihr schauderte bei dem Gedanken.
    Dass der junge Polizist in seinem momentanen Zustand nicht für ihre weiblichen Reize empfänglich sein würde, sah Carmen schon, als sie aus dem Wagen stieg und auf den am Boden Hockenden zuging. Er war nicht einfach nur blass, wie es jetzt Anfang April die meisten waren, nein, sein Gesicht war so weiß wie das sprichwörtliche Laken. Am Kinn des Mannes hingen Speichelfäden, um den Mund und auf der Jacke klebten kleine dunkle Bröckchen, und spätestens wenn man zwei Meter vor ihm stand, roch man es auch: Der Polizist hatte sich vor kurzem erbrochen.
    »Guten Tag«, sagte Carmen. Der Polizist schaute zu ihr hoch, murmelte: »Fahren Sie zurück. Feldweg.« Carmen beschloss, die Anweisung nicht zur Kenntnis zu nehmen. Stattdessen zog sie ihr Taschentuch aus der Jacke – es war Gott sei Dank frisch und sogar gebügelt – und hielt es dem Polizisten hin. Der nahm es wortlos und begann sich Mund und Kinn zu säubern.
    Doch, ein hübscher Kerl. Ungefähr in ihrem Alter, vielleicht ein wenig jünger sogar, durchtrainiert, nur die Haare waren ein bisschen zu kurz. Aber Haare konnte man wachsen lassen. Irgendwo her kam er ihr bekannt vor, nur die Uniform irritierte sie.
    »Herr...« Der Junge stand auf und wischte mit dem Taschentuch über seine beschmutzte Jacke. »Schmieding«, antwortete er und: »Danke für das Taschentuch. Aber Sie müssen zurückfahren. Polizeieinsatz.« »Weiß ich«, sagte Carmen, »Presse«. Schmieding nickte. »Trotzdem. Oder deswegen. Tut mir leid.«
    Ein Kind, durchfuhr es Carmen ohne Vorwarnung. Wenn ein Polizist am Tatort kotzt, dann weil er die Leiche eines Kindes gesehen hat. Womöglich schrecklich zugerichtet, das Gesicht verzerrt, mit weit aufgerissenen, leer gewordenen Augen. Ihr fröstelte plötzlich. Sie sah nach links, wo eine Schneise durch den Wald getreten worden war, das Gras niedergetrampelt, Büsche und Äste achtlos geknickt. Zu sehen war nichts, zu hören auch nicht. Das machte die Sache noch unheimlicher.
    »Ihre erste Leiche?«, wollte Carmen

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