Prisma
Ophemert war ein Wunder. Ein blaues Wunder.
Seine Freunde bildeten einen neugierigen Kreis um die beiden. »Ich sehe dort zwei Ärzte. Haben die Sie so zurechtgeflickt?« Eine Saphirhand streckte sich aus und berührte die transparente Haut, die seinen Bauch bedeckte.
»Eine notwendige Reparatur.« Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Nichts im Vergleich dazu, was bei Ihnen getan wurde. Ich hätte niemals gedacht, dass soviel vom menschlichen Körper nachgebaut werden kann, wenn ich den lebenden Beweis nicht vor Augen hätte.«
»Ich auch nicht.« Wieder dieses schräge, aber durchaus charmante halbe Lächeln. Die rechte Seite des Gesichts rührte sich nicht. Wer immer sie gerettet hatte, hatte ihr ein neues Herz, einen halben neuen Körper und mehr gegeben. Aber man hatte ihr Lächeln nicht erneuern können.
»Ich rannte durch den Wald, um der Katastrophe zu entfliehen, die in der Station geschah. Ich trug meinen Überlebensanzug, daher dachte ich eigentlich, dass ich in Sicherheit wäre.« Sie mochte zwar nur ein halbes Lächeln zustande bringen, doch ein herzliches Lachen aus voller Brust schaffte sie noch immer. »Ein etwas kopflastiger Kondarit stürzte auf mich. Meine rechte Seite wurde zerquetscht. Angehörige einer Assoziation fanden mich und, nun, Sie wissen ja, wie sie arbeiten. Sie sind genauso neugierig, wie sie geschickt sind. Um mir Fragen stellen zu können, mussten sie mich am Leben halten. Ich kann nicht behaupten, dass ich die medizinische Technik auch nur annähernd verstehe, die mir das Weiterleben ermöglicht. Ich kann darüber nur staunen.«
»Was war mit dem Licht, das Sie eingesetzt haben, um uns zu retten?« fragte der Bibliothekar. »Wir dachten, es stammt von einem Barreaer.«
»O das! Sie erzählten mir von den Barreaern. Ich war fasziniert, das gehört zu meiner Arbeit. Daher boten sie mir an, eine weitere Modifikation vorzunehmen.« Sie wandte sich um und reckte wieder den rechten Arm in die Höhe.
Sobald die Spitzen aller vier Finger sich berührten, erschien der Strahl roten Lichts. Es verschwand, als sie die Finger spreizte.
»Mein eigener Laser. Ich habe künstliche Rubine in den Fingern und in der Hand – für sie ist es nur Korund – und Aragonit in dem Arm. Irgend etwas im Rücken sammelt und speichert genügend Energie, um die ganze Anordnung zum Leuchten zu bringen, wenn ich alle Elemente richtig zusammenfüge. Sie taten es, weil ich mich hinsichtlich meiner persönlichen Sicherheit besorgt zeigte. Humula, Sie wissen schon.« Sie senkte den Arm und spielte mit glänzenden blauen Fingern. »Ich kann die Intensität verändern, wenn ich die Finger leicht bewege. Es ist lustig. Ich war schon immer eine große Bewunderin der Biotechnik. Ich hätte niemals gedacht, dass ich es aus erster Hand kennenlernen würde.«
»Dasselbe gilt auch für mich«, meinte Evan.
Sie schaute hinunter in das Tal. »Der Integrator hat Sie nicht vergessen. Machen wir einen Spaziergang.« Sie wandten sich um und stiegen auf der anderen Seite des Grates hinunter und ließen den verblüfften Integrator zurück, der über ihre Flucht vor Wut raste.
»Ich war überzeugt, dass Sie Humula sind«, erzählte sie, während sie sich ihren Weg den Abhang hinunter suchten. »Das einzige, das mich stutzig machte, war die Anwesenheit von Assoziationsmitgliedern. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass jemand wie er Ärzte und einen Bibliothekar dazu hatte überreden können, ihn auf seiner Reise zu begleiten.«
»Was ist denn eigentlich mit diesem Humula? Was ist an ihm Besonderes? Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das Wichtigste herausgefunden habe, aber hinsichtlich der We und Warum tappe ich noch ziemlich im dunkeln.«
»Sie haben ja gesehen, was in der Station passiert ist. Ich denke mir, dass Sie nach dem ersten Schock an fremdartige Monster dachten, die dort Amok gelaufen waren.« Er nickte. »Das war nicht der Fall, natürlich, obgleich jemand von der Größe des Integrators es durchaus getan haben könnte. Es war jedoch nicht die Schuld Prismas. Wir Menschen sind so schlau, dass wir unsere eigenen Monster mitbringen. Natürlich haben Sie sich auch gefragt, wie jemand die Besatzung überraschen und erst recht auslöschen konnte angesichts der vielen Monitorschirme und Waffen, die zur Verfügung standen. Das ist nicht schwer, wenn die gesamte Aufmerksamkeit nach draußen gerichtet ist. Humula war es. Er hatte sich alles ausgedacht, hatte die Alarmleitungen unterbrochen und ging an die
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