Prisma
gesamtes absurdes Sauerstoffverarbeitungssystem durch eines austauschen können, das dem unseren ähnlich ist.«
»Vielen Dank«, erwiderte Evan, »aber wenn ich zuviel Zeit draußen in der Sonne verbringe, dann hole ich mir einen Sonnenbrand.« Er schaute wieder nach unten. »Alles scheint zu funktionieren. Am schwersten kann ich mich daran gewöhnen, dass ich jetzt in mich hineinsehen kann.«
»Wir können die Abdeckung auch mit etwas Unsichtbarem ersetzen, vielleicht sogar in einer Farbe, die zu deiner übrigen Haut passt.«
»Nein, nein, nicht jetzt! Ein anderes Mal vielleicht.«
»Alles ist aus dem widerstandsfähigsten Material hergestellt«, berichtete der erste Arzt. »Dafür hat der Prozessor gesorgt. Stark, aber dennoch weich, um nicht zu beschädigen, was von deinen ursprünglichen Organen noch übrig war.«
»Ihr habt mir das Leben gerettet. Vielen Dank. Auch wenn es einige Zeit dauern wird, bis ich mich an dieses neue Leben gewöhnt habe.«
»Du solltest uns wirklich dein gesamtes Energieproduktionssystem ersetzen lassen.« Der zweite Arzt ließ nicht locker.
Azur schob sich zwischen ihn und Evan. »Lass ihn in Ruhe! Er hat für einen Tag genug Schocks erlitten, sowohl geistige wie körperliche. Versetz dich doch mal in seine Lage. Wie würdest du denn reagieren, wenn du eines Morgens erwachtest und entdecken müsstest, dass deine Augen durch Kugeln aus organischer Materie ersetzt wurden, die in einer flüssigkeitsgefüllten Fassung schwimmen?«
»Eine furchtbare Vorstellung.«
Der Kundschafter drehte sich zu seinem frisch reparierten Freund um. »Du bist hergekommen, um unsere Heimat zu studieren, und jetzt sieht es so aus, als hättest du dich deinem Studienobjekt mehr genähert, als du es dir gewünscht hast.«
»Ja. Ich hatte jedenfalls einen etwas weniger intimen Lernprozess im Sinn.« Er kicherte. Die dumpfen Schmerzen in seinem Körper vergingen allmählich. »Ich werde sicherlich im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit stehen, wenn ich wieder nach Hause zurückkehre. Vielleicht hat einer von euch Lust, mich zu begleiten?« Er konnte sich ausmalen, wie die Ärzte einen hoffnungslos verletzten menschlichen Körper operierten und beschädigte Innereien gegen glatte Silikatersatzteile eigener Produktion und Konstruktion austauschten.
»Wir müssen zuerst zu deinem Leitstrahl gelangen«, erinnerte Azur ihn. »Oder ist es möglich, dass deine Wunschvorstellungen sich mit deinem Körper geändert haben?«
Nein, ich bin so menschlich wie eh und je. Nur meine Wahrnehmung hat sich etwas verändert, sagte er sich vertrauensvoll. Nur die Wahrnehmung. An dem neuen künstlichen Herzen und den neuen Lungen war nichts Ungewöhnliches. Andere Methoden der Installation und Herstellung waren angewendet worden, mehr nicht. Ein Team menschlicher Chirurgen, die versuchten, ihm das Leben zu retten, hätten sich mit ähnlicher Absicht um seinen Körper gekümmert.
Der untere Teil seiner Foroporenrüstung war intakt geblieben und von Kriegern zusammen mit den Armstücken geborgen worden. Den Verlust bedauernd, streifte er sich über, was noch übrig war. Vielleicht fanden sie unterwegs einen weiteren Foroporientümpel, in dem die fehlenden Rüstungsteile neu gebildet werden konnten.
Irgendwie erschien ihm dieser Vorgang nicht mehr als bedrohlich oder widerwärtig. Er schaute auf seinen Leitstrahl. Er leuchtete jetzt wirklich sehr hell. Sie sollten nicht vergessen, wohin er sie führte.
Ebenso wie er jede Mühe auf sich genommen hätte, nicht zu vergessen, wer er wirklich war.
»Wir müssen sehr nahe sein.« Azur wirkte erstaunlich aufgeregt. Das heißt, er sah eher aufgeregt aus, als dass er danach klang. Immer wenn Azur oder die Angehörigen seiner Rasse in einen Erregungszustand gerieten, fing ihre Haut zu leuchten an. »Ich kann das Signal jetzt selbst hören.«
»Ich auch«, meldete der Bibliothekar, »obgleich mein Gehör nicht so scharf ist wie das des Kundschafters.«
Offenbar war Evan nicht der einzige, der der bevorstehenden Zusammenkunft entgegenfieberte – vorausgesetzt, es gab überhaupt etwas, das man treffen konnte.
Nachdem sie sich noch mehr beeilt hatten, erreichten sie die Spitze eines steilen Hügels und stiegen durch eine niedere Flora, die aus Topasplatten zu bestehen schien. Vom Kamm aus blickten sie in ein kleines Tal hinunter. Martine Ophemert war nirgendwo zu sehen, dafür aber etwas anderes.
»Da liegt dein Leitstrahl«, sagte Azur leise, »aber nicht deine Gefährtin.
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