Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
brauche ich doch nicht auszusagen, oder?“
„Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie Ihren Vater belasten könnten, nein. Aber wenn dessen Alibi in Ordnung ist, dann besteht kein Grund zu schweigen. Im Gegenteil.“
„Also gut: Zur fraglichen Zeit hat mein Vater diese Astro-Sendung moderiert, auf diesem Esoterik-Kanal.“ Sie deutete auf den Bildschirm auf ihrem Schreibtisch. „Ich hab‘s mir im Live-Stream angesehen. Und dass es wirklich live war, ist klar, denn es haben ja Leute angerufen, um sich beraten zu lassen.“
„Trotzdem ist Frank Marwitz felsenfest davon überzeugt, dass Ihr Vater hinter all dem steckt.“
Sie runzelte die Stirn. Durch die dicke Make-up-Schicht zeichneten sich ein paar zusätzliche Linien in ihre Haut, die sonst wohl nicht so deutlich aufgefallen wären.
Nun ja, dafür gibt’s ja heutzutage Botox, dachte Berringer.
„Was meinen Sie denn mit all dem? “
„Er denkt, dass Ihr Vater eine Rockerbande angestiftet hat, ihn fertigzumachen.“
„Ach, der Scheiß. Wieso stellen eigentlich Kriminalbeamte immer dieselben Fragen?
Is das 'n besonderer Trick? Denken Sie, dass ich was anderes sag, wenn Sie zehn Leute vorbeischicken, die mich auf die gleiche Weise anlabern?“
„Sie haben recht, das muss sehr nervig für Sie sein. Aber wir stehen nun mal unter großem Druck, denn wir müssen den Täter finden, ehe noch Schlimmeres passiert.“
„Lochen Sie doch diese Rocker ein, wenn Sie wirklich glauben, dass die so was machen“, sagte sie, und ihre Stimme wurde auf einmal schrill. „Aber lassen Sie meinen Vater und mich in Frieden! So einfach ist das!“
„So einfach ist das leider nicht“, erwiderte Berringer ruhig und schaltete um auf die in seinem Gedächtnis gespeicherte Aufzeichnung mit dem Titel „Verständnisvoller Polizist“. Die war immer noch in voller Länge und perfekter Tonlage abrufbar. Um sie abzuspielen, musste er sich nicht einmal darauf konzentrieren. Selbst wenn sein Gegenüber wusste, dass er gar kein Polizist war, traf er damit oft genug den richtigen Ton, sodass sich sein Gesprächspartner beruhigte und innerlich abkühlte.
Berringer bewegte also nahezu automatisch die Lippen, während er überlegte, ob die Shows des Astro-Senders tatsächlich immer live ausgestrahlt wurden. Das würde man noch genauer überprüfen müssen. Ob ihn die Krassow-Spur wirklich weiterbrachte, bezweifelte er allerdings inzwischen.
Dennoch sagte ihm irgendetwas, dass da noch mehr war. Etwas, das alles in einem anderen Licht erscheinen lassen würde. Ein Puzzlestück, das noch fehlte und irgendwie mit Krassow zu tun hatte. Er konnte es nicht erklären. Es war einfach Instinkt, ein Bauchgefühl, das aus der Erfahrung kam und dem Berringer immer mehr zu vertrauen gelernt hatte.
„Eine Bitte hätte ich noch“, sagte er schließlich. „Ihr Vater hat doch sicher so etwas wie eine Visitenkarte.“
Sie schien einen Augenblick nachzudenken, und Berringer fragte sich, warum ihr die Antwort so schwerfiel. Was für ein Gedanke ging ihr dabei im Kopf herum?
Drei Möglichkeiten standen zur Auswahl: Will er damit etwas Bestimmtes sagen? Wo sind die Karten? Soll ich ihm überhaupt eine geben?
Schließlich ging sie zum Schreibtisch, nahm eine Karte heraus und reichte sie Berringer wortlos.
„Danke.“
„Ich hab ganz vergessen, Sie nach Ihrem Dienstausweis zu fragen“, sagte sie plötzlich.
„Das holen wir ein andermal nach. Wiedersehen.“
„Sie sind doch Polizist, oder?“
„Bis dann.“
Berringer war schon halb zur Tür hinaus, deshalb konnte er das, was die junge Frau noch sagte, nicht mehr verstehen.
Er sah auf die Karte. Alles drauf: Firmenadresse, Privatadresse, Handynummer …
Immer und überall erreichbar zu sein, gehörte zweifellos zu dem Job, den Leute wie Krassow ausübten.
Ich hätte sie gleich nach der Karte fragen sollen, dann hätte ich mir den Rest sparen können, dachte er grimmig.
Berringer besorgte sich in einer Bäckerei einen Coffee-to-go und ein Käsebrötchen, vertilgte das Brötchen im Stehen, schlürfte dabei den Kaffee, fuhr dann weiter nach Gerkerath im Stadtteil Rheindahlen, wo Eckart Krassow einen Bungalow bewohnte.
Er steuerte seinen Opel an den Straßenrand und stieg aus. Das Garagentor war geschlossen, man konnte also nicht sehen, ob der Herr des Hauses ausgefahren war.
Berringer klingelte an der Tür, doch es öffnete niemand.
Der Detektiv sah auf die Uhr. Insgesamt war sogar bereits mehr als eine halbe Stunde vergangen, seit Tanja
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