Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
Krassow höchstselbst auf der Mattscheibe zu bewundern war.
Offenbar sah er das als professionelle Eigenwerbung an, während es dem Sender wohl gleichgültig war, wer da in den Leben der Anrufer herumpfuschte und mit der Autorität angeblich kosmischer Mächte dafür sorgte, dass Jobs und Partner gewechselt wurden, weil sie nicht für den Anrufer „bestimmt“ waren.
Eine Frau saß hinter einem Schreibtisch mit Computer. Sie war Mitte zwanzig, hatte gelocktes Haar, trug Jeans und T-Shirt und hatte für Frisur und Make-up erkennbar viel Aufwand betrieben. Vielleicht sah sie wegen der dicken Schichten Schminke einfach auch nur älter aus und war in Wahrheit gerade erst mit der Schule fertig. Die Fingernägel waren so lang, dass sie die Bedienung einer Computertastatur erheblich erschwerten – wie vermutlich fast alles andere auch, was in irgendeiner Form mit Arbeit zu tun hatte.
Außer Apfelsinenschälen, dachte Berringer. Wahrscheinlich war sie eine Vierhundert-Euro-Kraft oder eine Ein-Euro-Jobberin oder eine Praktikantin, wobei Berringer Letzteres schon fast ausschloss. Praktikanten präsentierten in der Regel nicht vorsätzlich äußere Hinweise auf ihre Arbeitsunfähigkeit.
EVENT-AGENTUR KRASSOW – WIR MACHEN DIE GRÖSSTEN EVENTS, stand auf einem der Plakate. Die junge Frau, die Berringer mit einem wenig professionellen Nicken begrüßte, bezog den Slogan offenbar in erster Linie auf ihre eigene Erscheinung.
„Ja?“, fragte sie und offenbarte dabei, dass sie ein Kaugummi im Mund hatte.
„Mein Name ist Berringer. Ich hätte gern Herrn Krassow gesprochen.“
„Is weg“, sagte sie, und Berringer dachte: Jetzt fehlt nur noch, dass sie eine Blase macht.
„Ja, das habe ich mir nach einem kurzen Rundblick durch Ihr Büro auch schon gedacht. Aber ich muss ihn wirklich sehr dringend sprechen. Vielleicht …“
„Was iss’n?“
„Das muss ich ihm schon selbst sagen. Wann ist er denn wieder hier im Büro?“
„Weiß nich.“ Sie kaute jetzt ganz ungeniert. „Sind Sie der Typ aus Korschenbroich?“
„Wieso?“
„Wieso stellen Sie mir 'ne Frage, wenn ich Sie was frag?“ Berringer atmete tief durch. Kein Wunder, dass Krassows Agentur noch schlechter lief als die von Marwitz, bei so einer Marketing-Granate im Büro.
Die junge Frau verschränke die Arme vor der Brust. Man brauchte kein Experte für Körpersprache zu sein, um zu begreifen, dass sie das Gespräch im Wesentlichen für beendet hielt.
Berringer hatte genug. Seine Augen wurden schmal, und er fixierte sie mit seinem Blick. Dann sagte er: „Hören Sie gut zu! Ich ermittle, weil auf den größten Konkurrenten von Herrn Krassow mit einer Armbrust geschossen wurde – und zufällig ist bekannt, dass Herr Krassow nicht nur liebend gern das Korschenbroicher Schützenfest und internationale Hockey-Turnier moderieren würde, sondern auch noch passionierter Armbrustschütze ist! Ich muss ihm dringend ein paar Fragen stellen, und es wäre auch in seinem Interesse, wenn ich ihn umgehend erreichen könnte!“
Die junge Frau machte große Augen. „Polizei?“
„Wo ist Herr Krassow? Kann ich ihn vielleicht zu Hause erreichen?“
„Moment.“ Sie ging zum Telefon, betätigte eine Kurzwahltaste mit dem Fingergelenk, um ihre Nägel zu schonen, und schmatzte dabei hektisch auf ihrem Kaugummi herum.
„Papa?“, fragte sie dann in den Hörer.
Papa – das erklärte vieles. Zumindest ergab sich daraus ein plausibler Grund, weshalb Krassow sie in seiner Agentur arbeiten ließ. Ob er sich damit einen Gefallen tat, stand auf einem anderen Blatt.
„Papa, hier ist ein Polizist“, sagte sie, und Berringer dachte: Na ja, wenn man ein
»Ex« davor setzt, ist es nicht mal verkehrt. „Der will dich unbedingt sprechen … Hat er nich gesagt … Jaaa, Papa! Jaaahaaa, ich weiß, Papa …“ Es folgten noch zwei lang gezogene »Ja«, deren Modulation den ansteigenden Grad ihrer Genervtheit widerspiegelte. Dann legte sie auf und sagte erst danach: „Tschüss!“ Sie ging wieder zu Berringer hin. „In einer halben Stunde können Sie zu uns nach Hause kommen. Dann ist er dort. Adresse kennen Sie, sagt mein Vater.“
„Gut.“
„War’s das?“
„Vielleicht können Sie mir ja auch etwas über diese Sache sagen, Frau Krassow. Zum Beispiel, wo Ihr Vater war, als …“
„Ich heiße nicht Krassow, sondern Runge“, sagte sie. „Tanja Runge. Meine Mutter hat meinen Vater damals nicht geheiratet.“
„Ach so …“
„Und ansonsten … Als Tochter
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