Private Games - Der Countdown des Todes
jemanden anrufen?«
» Nein.« Ich richte mich wieder auf. Der grüne Lichtkreis pulsiert zwar noch immer, und dieses Stechen in meinem Kopf lässt nicht nach, doch die Luft um mich herum flimmert etwas weniger.
Ich entferne mich von dem Platzwart. » Bring dieses gottverdammte Blag zum Schweigen«, drohe ich Marta.
» Glaub mir, wenn ich könnte, würde ich es tun«, erwidert sie. » Warte, ich gehe nach draußen.«
Ich höre, wie eine Tür geschlossen wird und ein Auto hupt. » Besser?«
Nur ein bisschen. Mein Magen dreht sich, als ich frage: » Was wissen sie?«
Mit zurückhaltender Stimme erzählt mir Marta, dass sie über die Brazlic-Schwestern Bescheid wüssten. Und plötzlich geht alles von vorne los – das Stechen, der dieselgrüne Lichtkreis, das Ultraviolett als Farbe meiner mich gänzlich durchdringenden Wut. Ich fühle mich wie ein in die Ecke gedrängtes Tier, als wäre ich selbst ein Monster, bereit, irgendjemandem, der mir über den Weg läuft, die Kehle aufzuschlitzen.
Vorne auf dem Weg steht eine Bank. Ich setze mich. » Wie?«
» Ich weiß nicht«, antwortet Marta. » Ich habe nur gehört, wie Pope von den Brazlic-Schwestern gesprochen hat. Vor Schreck habe ich eine Schüssel fallen lassen.«
» Hat Knight Verdacht geschöpft?«, frage ich. Am liebsten würde ich sie erwürgen.
» Wegen mir? Nein«, wehrt Marta ab. » Ich habe so getan, als wäre es mir peinlich und als tue es mir leid, dass mir die Schüssel runtergefallen ist. Er meinte nur, ich bräuchte mir keine Sorgen zu machen. Ich solle einfach alle Scherben auf dem Boden wegfegen, damit sich seine kleinen Bälger nicht verletzen.«
» Wo sind sie jetzt – Knight und Pope? Was wissen sie sonst noch?«
» Sie sind vor zehn Minuten gegangen. Er sagte, er werde erst spät zurückkommen«, antwortet Marta. » Mehr weiß ich nicht. Aber wenn sie über die Schwestern Bescheid wissen, dann wissen sie, was die Schwestern in Bosnien getan haben, und der Ankläger weiß, dass wir in London sind.«
» Kann sein«, stimme ich zu. » Mehr wissen sie wohl wirklich nicht. Wenn, hätten sie euch schon anhand eurer aktuellen Namen aufgespürt.«
» Was soll ich tun?«, fragt Marta nach einem Moment des Schweigens.
» Bleib in der Nähe der Kinder«, weise ich sie in der wachsenden Gewissheit an, dass zu viel Zeit vergangen ist, um eine Verbindung zwischen den Furien von damals und heute herzustellen. » Wir könnten sie in den nächsten Tagen brauchen.«
SONNTAG , 5. AUGUST 2012
7 5
Um sieben Uhr abends war die Stimmung im Olympiastadion wie elektrisch geladen. Auf der Tribüne auf der Westseite, hoch über der Ziellinie, war für Knight ebenso wie für die achtzigtausend Zuschauer, die das Glück hatten, in den Besitz einer Eintrittskarte zu gelangen, die Spannung kaum auszuhalten, mit der sie darauf warteten, wer sich als der schnellste Mann der Welt erweisen würde. Doch in die Spannung mischte sich auch Angst. Würde Kronos hier seinen nächsten Anschlag verüben?
Das Rennen war mit Sicherheit hochkarätig genug. Bei den Qualifizierungsläufen über hundert Meter am Tag zuvor hatten Shaw und Mundaho wie erwartet Bestleistungen gezeigt, und beide hatten locker gewonnen. Doch während der Jamaikaner zwischen den Rennen ausruhen konnte, musste der Kameruner dazwischen auch in den Qualifizierungsläufen über vierhundert Meter antreten.
Mundahos Leistung war mit einer Zeit von 43:22 Sekunden fast übermenschlich gewesen. Damit lag er um vier Hundertstelsekunden hinter Henry Iveys 1999 in Sevilla aufgestellten Weltmeisterschaftsrekord mit 43:18 Sekunden.
An diesem Abend hatten Mundaho und Shaw das Halbfinale über einhundert Meter gewonnen, wobei der Kameruner nur zwei Hundertstelsekunden hinter Shaws Weltrekord von 9:58 Sekunden lag. Die beiden bereiteten sich auf das Finale vor. Anschließend würde Shaw sich ausruhen, Mundaho würde noch im Halbfinale über vierhundert Meter antreten müssen.
Das ist mörderisch, dachte Knight, als er mit dem Fernglas über die Menge blickte. Könnte Mundaho es schaffen? Könnte er diesmal beim Ein-, Zwei- und Vierhundertmeterlauf Gold gewinnen?
Oder war das überhaupt wichtig? Würden sich die Menschen nach dem, was während dieser Spiele passiert war, wirklich darum scheren? Abgesehen davon, dass sich die Londoner bereits freuen konnten, weil Mary Duckworth beim Marathon der Frauen gewonnen hatte, waren die vergangenen achtundvierzig Stunden von einer dramatischen Zunahme der Angst gekennzeichnet
Weitere Kostenlose Bücher