Private Games - Der Countdown des Todes
angeführt von Shaw, dem bisherigen Olympiachampion. Er legte kleine Sprints hin, lockerte seine Hände und stieß sie in die Luft wie Hackbeile.
Als Letzter kam Mundaho eher verschlafen herausgerannt, ging dann jedoch in die Hocke und hüpfte wie ein Känguru mit einer Kraft, die bei den Zuschauern Begeisterungsstürme auslöste. Ist das möglich?, dachte Knight. Hatte es so jemanden schon mal gegeben?
» Dieser Mann ist ein Spinner«, bemerkte Lancer. » Echt abartig.«
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Die Olympische Flamme auf dem Orbit brannte, ohne zu flackern, und die Flaggen rund ums Stadion hingen schlaff an den Masten. Der Wind hatte sich vollständig gelegt. Perfekte Bedingungen für einen Wettlauf.
Knight verfolgte über seine Ohrhörer die Fragen und Antworten zwischen Jack, den Sicherheitsleuten und Lancer, der sich woanders hingestellt hatte, um einen besseren Blick zu haben. Knight sah sich um. Auf dem Stadiondach lagen SAS -Scharfschützen hinter ihren Gewehren. Über dem Stadion kreiste ein Hubschrauber, einer derjenigen, die schon den ganzen Tag über dem Olympiapark flogen, und die bewaffneten Wachen entlang der Hundertmeterbahn waren verdoppelt worden.
Heute Abend wird hier nichts passieren, redete Knight sich ein. Ein Anschlag wäre selbstmörderisch.
Die Sprinter traten an die Startblöcke, die über ein hochmodernes, vollständig automatisiertes Zeitsystem betrieben wurden, FAT genannt. Die einzelnen Startblöcke waren von hochempfindlichen Druckplatten umgeben, die mit Rechnern verbunden waren und jeden Fehlstart erfassten. An der Ziellinie befand sich eine mit denselben Rechnern verbundene Matrix von sich kreuzenden Laserstrahlen, die auf eine Tausendstelsekunde kalibriert waren.
Die Zuschauer hatten sich hingestellt, um besser sehen zu können, als der Stadionsprecher die Sprinter auf die Plätze rief. Shaw lief auf Bahn drei, Mundaho auf Bahn fünf. Der Jamaikaner beobachtete den Kameruner, der sich vor seinem Startblock im Kreis drehte. Die Läufer setzten ihre Stollen in die Drucksensoren, stützten sich mit gespreizten Fingern auf der Bahn ab und senkten die Köpfe.
Zehn Sekunden, dachte Knight. Diese Jungs bereiten sich ihr ganzes Leben auf zehn Sekunden vor. Er hatte keine Vorstellung, welchem Druck die Olympiateilnehmer ausgesetzt waren, hatte keine Ahnung von ihren Erwartungen, ihrer Willenskraft und ihrem Leid.
» Fertig!«, rief der Kampfrichter. Die Läufer hoben die Hüften.
Als die Pistole knallte, johlte die Menge. Mundaho und Shaw sahen aus wie zwei Panther, die gleichzeitig einem Beutetier hinterherhechteten. Der Jamaikaner war auf den ersten zwanzig Metern stärker, entfaltete seine langen Beine und Arme schneller als der Kameruner. Doch auf den nächsten vierzig Metern rannte der ehemalige Kindersoldat, als flüchte er vor einem Kugelhagel.
Nach achtzig Metern holte Mundaho Shaw ein, konnte ihn aber nicht überholen.
Und Shaw konnte Mundaho nicht abhängen.
Gemeinsam jagten sie die Bahn entlang, als gäbe es keine anderen Läufer, erreichten das Ziel gleichzeitig nach 9:38 Sekunden, zwei Zehntelsekunden schneller als Shaw in Peking vier Jahre zuvor.
Neuer Olympiarekord!
Neuer Weltrekord!
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Die Zuschauer im Stadion tobten und feierten Mundaho und Shaw.
Doch wer hatte gewonnen?
Oben auf den großen Bildschirmen zeigten die inoffiziellen Ergebnisse trotz identischer Zeiten Shaw auf dem ersten, Mundaho auf dem zweiten Platz. Knight beobachtete die beiden Sportler, die nach Luft schnappten, die Hände in die Hüften gestützt, den Blick nach oben auf die Bildschirme gerichtet, wo das Rennen in Zeitlupe gezeigt wurde, während die Richter die Daten aus den Laseraufzeichnungen an der Ziellinie prüften.
Der Stadionsprecher erklärte, dass es in der Vergangenheit zwar in olympischen Disziplinen wie Turnen und einmal – 2000 in Sydney – auch zwischen zwei amerikanischen Schwimmern ein Unentschieden gegeben habe, aber noch nie bei Läufern. Die Kampfrichter würden sich die Fotos vornehmen und die Zeit auf eine Tausendstelsekunde überprüfen.
Die Kampfrichter berieten sich neben der Bahn. Der größte schüttelte den Kopf. Einen Moment später zeigten die Bildschirme die offiziellen Ergebnisse – Shaw und Mundaho mit einem Gleichstand von 9:382 Sekunden.
» Ich lehne ein weiteres Rennen ab«, sagte einer der Kampfrichter. » Ich betrachte dies als das größte Rennen aller Zeiten, und das Ergebnis steht. Beide Männer haben den Weltrekord gebrochen und damit Gold gewonnen.«
Das
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