Privatklinik
ist da! Ich krepiere ja!«
Als er Dr. Linden bemerkte, wollte er sich aufrichten, aber in seinem Bauch mußte in diesem Augenblick ein heißer Stich über alle erträglichen Maßen durch seine Därme gehen. Mit einem hellen Schrei, der gar nicht zu seiner Stimme paßte, sank der Bauer zurück. Die Bäuerin an der Tür faltete die Hände und betete. Ihr faltiger Mund bewegte sich unaufhörlich in stummer Zwiesprache mit Gott.
»Ganz ruhig, Bauer«, sagte Dr. Linden. »Nun bin ich ja da.« Er setzte sich neben dem Kranken auf die Bettkante und schob die Hände des Bauern vom Leib.
Die Diagnose war nicht schwer. Der Leib war aufgetrieben, die Bauchdecke gespannt. Fieberschauer durchjagten den stämmigen Körper, abwechselnd mit höllisch-heißen Stichen. Dr. Linden beugte sich zu dem Heidebauern vor.
»Seit wann haben Sie das?«
»Seit heute nacht.« Der Bauer keuchte und klapperte mit den Zähnen. »Es ging plötzlich los, und da habe ich eine Wärmflasche draufgelegt und dann massiert …«
»Ja, sind Sie denn wahnsinnig?« Dr. Linden schob die wieder zum Leib tastenden Hände fast grob zurück auf die Matratze. Dann wandte er sich zu der Bäuerin.
»Er muß sofort ins Krankenhaus!«
»Aber wie?« Die Bäuerin faltete wieder die Hände. »Wir haben kein Telefon.«
»Wo ist Jobst?«
Jobst war der Sohn, der letzte einer langen Ahnenreihe von Heidebauern. »Er ist in der Stadt. Seit gestern schon. Er verkauft Wolle.«
»Und der nächste Arzt?«
»Ist in der Stadt. Aber das sind zwei Stunden hin … und wer weiß, ob er da ist, jetzt am Nachmittag.« Die Bäuerin ließ sich auf einen Schemel fallen und starrte Dr. Linden an. »Muß er sterben?«
»Ja!« antwortete Dr. Linden ehrlich. »Bis man den nächsten Arzt geholt hat oder der Krankenwagen hier ist, kann er tot sein!« Er sah auf die kleine, verarbeitete Frau, auf ihre gefalteten Hände, auf ihre alten, trüben Augen und war erschüttert von der Ergebenheit, mit der sie jetzt ein Schicksal trug, das unabwendbar schien. Das gab ihm einen Stich ins Herz, das riß etwas in ihm auf, was er zugeschüttet, begraben, abgetötet hatte.
»Stellen Sie alle verfügbaren Töpfe mit Wasser auf den Herd!« rief er. »Lassen Sie das Wasser kochen. Scheuern Sie den großen Tisch in der Stube mit Schmierseife! Holen Sie Ihre saubersten Bettlaken aus dem Schrank. In zwanzig Minuten bin ich wieder da!«
Er rannte aus dem Haus. »Herr Doktor!« hörte er hinter sich die Stimme der Bäuerin. »Der Himmel hat mich erhört!«
Linden sprang auf ›Oberon‹ gab ihm, zum erstenmal, seit er ihn ritt, die Sporen. Das Pferd schnellte die Ohren nach vorn und warf den Kopf mit einem Ruck zurück. »Lauf, du Satan!« schrie Linden ihm zu. »Jetzt hast du Grund zu toben!« Und wieder hieb er ihm die Sporen in die Flanken, beugte sich vor und klammerte sich fest.
›Oberen‹ stieß ein Wiehern aus, streckte den Hals und galoppierte hinaus in die verschneite Heide, als habe er die Tobsucht. Wie ein Geisterreiter jagten sie durch den kalten Tag, durchfegten den Birkenwald, übersprangen Hindernisse, wie Stämme oder gestapelte Scheite oder Bodenfalten, der Hut wehte Linden vom Kopf, seine Schenkel zitterten von der Anstrengung, sich im Sattel halten zu müssen, die eisige Luft schlug wie mit Peitschen in sein Gesicht, und das Pferd unter ihm dampfte und keuchte und jagte über das Land, schneller als Wolken im Sturm.
So raste er in den Park des Schlosses und sah am zugefrorenen Teich den Diakon und eine Dame stehen.
»Mein Gott!« stammelte Weigel, als er Dr. Linden wie einen angreifenden Kosaken aus dem Wald preschen sah. »Das hat er ja noch nie getan! Was ist denn nun schon wieder los …«
»Konrad!« rief Brigitte und schwenkte beide Arme. »Konrad!« Ihre Kehle war wie zugeschnürt, ihr letzter Ruf erstickte fast. So reitet ein Irrer, dachte sie mit eisigem Schrecken. So reitet auch ein Betrunkener. Soll alle Hoffnung sinnlos gewesen sein?
Linden warf sich vom Pferd, noch bevor ›Oberon‹ zitternd und dampfend vor Diakon Weigel hielt und die Beine in den Schnee stemmte. Mit schwankenden Knien ging Linden die letzten Schritte auf die starr im Schnee Verharrenden zu.
»Ich brauche Ihren Wagen, Diakon!« schrie er mit keuchender Stimme. »Ich habe gesehen, Sie haben im Revierzimmer ein chirurgisches Besteck. Ich brauche das alles! Und Äther und Kreislaufmittel. Haben Sie Zephirol im Haus? Können Sie assistieren? Schnell – es geht um Minuten!«
Er umfaßte Brigitte, gab
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