Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
ihr einen eiligen Kuß, rannte zum Schloß, blieb stehen, kam zurück und sagte leise: »Es ist schön, daß du hier bist, Gitte –« Als er wieder wegrennen wollte, hielt ihn Weigel am Rockschoß fest.
    »Darf ich wissen, was das alles bedeutet, Doktor?«
    »Himmel noch mal, fragen Sie nicht so lange! Der Heidebauer liegt im Sterben! Er hat sich heute nacht seinen entzündeten Blinddarm mit einer Wärmflasche behandelt und mit den Händen durchmassiert. Nun ist er perforiert, und der ganze Dreck hat die Bauchhöhle entzündet! Ich muß sofort operieren –«
    »Sie?« stammelte Diakon Weigel.
    »Bis der Krankenwagen kommt, ist es zu spät. Der nächste Arzt ist auch nicht erreichbar. Der Sohn Jobst ist in der Stadt. Wenn ich nicht operiere, muß der Bauer krepieren! Verstehen Sie jetzt?«
    »Ja. Aber –«
    »An den dämlichen ›Abers‹ geht noch einmal die Welt zugrunde!« brüllte Dr. Linden. »Holen Sie Ihren Wagen! Ich verschaffe mir aus Ihrem Krankenzimmer alles, was ich brauche …«
    »Ich komme auch mit, Konrad«, sagte Brigitte laut.
    »Natürlich! Du mußt die Lampe halten! Die haben in der Stube eine trübselige Beleuchtung. Los, los … mit Reden ist noch keiner geheilt worden!«
    Der Chefarztton. Brigitte sah Diakon Weigel an. Ihre Augen glänzten. Er ist wieder da, hieß dieser Blick. Es gibt wieder den Dr. Linden. Der Mensch aus dem Bunker von Köln ist vergangen. Wir haben ihn wieder … unseren Arzt, unseren Mann, unseren Papi.
    Zwanzig Minuten später stand Dr. Linden wieder vor dem Bett des Heidebauern. Das Fieber war gestiegen, der Kopf war glühend rot, aber der Körper zitterte wie im Schüttelfrost. Im Nebenzimmer war alles hergerichtet, wie es Linden befohlen hatte … der Tisch mit der dicken Eichenbohlenplatte war gescheuert, die Bettlaken lagen darauf, in der Küche brodelte in fünf Kesseln das kochende Wasser.
    Zu viert trugen sie den Bauern vom Bett auf den Tisch, zogen ihn aus und bedeckten den bebenden, heißen Körper mit den Tüchern, bis auf die Stelle am Leib, wo Dr. Linden schneiden wollte. Er hatte die Instrumente bereits in einen der Töpfe mit sprudelndem Wasser geworfen und baute nun auf den Stühlen seine Flaschen und Spritzen auf.
    »Haben Sie schon einmal assistiert?« fragte er dabei Diakon Weigel.
    »Nein.« Weigel wusch sich in einer Blechschüssel die Hände in einer Zephirollösung. »Ich bin zwar ausgebildet in Erster Hilfe und Krankenpflege und in der sogenannten Unfallhilfe, aber bei Operationen habe ich noch nicht geholfen.«
    »Sie brauchen nur zu tun, was ich Ihnen sage, und das sofort und ohne zu fragen. Und fallen Sie mir nicht um! Blut und Eiter stinken.«
    »Keine Sorge, Doktor.« Weigel lächelte schwach. »Ich halte durch.«
    Auf dem Tisch stöhnte der Bauer. Er sah seine Frau an, die neben seinem Kopf stand und wieder betete.
    »Nun schneidet er mir den Bauch auf, Jule«, sagte er zwischen zwei Schmerzensschreien. »Auf meinem Zimmertisch! Wenn ich sterbe, sag Jobst, unter der Diele im Schlafzimmer liegen in einem Kuvert tausend Mark …«
    »Hier stirbt keiner!« sagte Dr. Linden und reinigte den Leib des Bauern mit Alkohol. Schon als er das Schild auf der Flasche las, krampfte ihm ein Würgen die Kehle zusammen. Nun roch er den Alkohol, rieb ihn mit seinen Fingern und einem Wattebausch über die Haut des Bauern, spürte die Flüssigkeit und atmete tief die Verdunstung ein. Tiefer als notwendig beugte er sich über die Operationsstelle und schnupperte wie ein Hund an einer Baumwurzel. Brigitte berührte ihn leicht an der Schulter. Da zuckte er hoch und reinigte den Bauch weiter.
    »Ist es zu dunkel?« fragte sie. »Soll ich die Lampe näher halten?« Sie hielt einen Handscheinwerfer hoch und beleuchtete die Operationsstelle. »Besser so, Konrad?«
    Er nickte. Sprechen war unmöglich. Seine Stimme hätte ihn verraten. Er warf den Wattebausch unter den Tisch, zog eine Evipanspritze auf und injizierte sie in die dicke Armvene des Bauern. Schon nach wenigen Sekunden fiel der Kopf zur Seite, die Augen verdrehten sich. Die Bäuerin legte den Kopf gegen die Tischkante. Er stirbt, dachte sie. Er stirbt.
    »Wir können anfangen«, sagte Dr. Linden. »Ich habe in Rußland unter ganz anderen Umständen operiert. Ohne die geringste Desinfektion, mit stumpfen Instrumenten. Dagegen haben wir es hier noch luxuriös.« Er sagte es, weil er sah, wie Diakon Weigel zögernd mit den ausgekochten Instrumenten aus der Küche kam und sie auf eines der Bettlaken ausbreitete.

Weitere Kostenlose Bücher