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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den Berliner aus dem Zimmer. Sein Kopf war ein einziger Blutfleck, und während sie ihn an den Schultern über den Flur schleiften, zog sich eine Blutspur hinter ihm her über das Linoleum.
    »So eine Sauerei!« brüllte Judo-Fritze. Er ließ Peter Kaul stehen und stürmte in Zimmer siebzig. Ein Wutgeheul aus zehn Kehlen empfing ihn. Die Einrichtung war zum Teil zerschlagen, die Betten lagen umgeworfen in der Ecke, zwei Schemel hatte man auseinandergerissen und die Beine als Schlagwaffe benutzt. Nun lagen sie, blutbeschmiert, mitten im Zimmer.
    »So eine Sau!« schrie jemand. »Totschlagen sollte man den! Den Willi hat er angepackt, und nicht mal 'ne Kippe wollte er dafür geben! So ein Sauhund!«
    Dann klatschte es ein paarmal. Peter Kaul konnte nicht sehen, was in Zimmer siebzig geschah, aber nach dem Poltern machte er sich ein Bild davon, wie einige schmächtige Körper aus Judo-Fritzes Händen durch die Luft wirbelten und irgendwo im Zimmer niederklatschten. Dann war es plötzlich still im Zimmer. Der riesige Pfleger kam wieder auf den Flur und winkte Kaul zu.
    »Komm 'rein, Peter …«
    Kaul blieb an der Flurwand stehen. »Da hinein? Nein!« sagte er laut. »Ich wünsche, in ein anderes Zimmer verlegt zu werden!«
    Judo-Fritze spreizte seine Hand. »Mach keinen Quatsch, Peter! Komm! Oder willste fliegen lernen?«
    »Ich möchte den Herrn Professor noch einmal sprechen!«
    »Morgen. Heute ist's vorbei!«
    »Ich gehöre nicht hierher!« schrie Peter Kaul. »Ich werde um drei Uhr entlassen! Ich habe mit diesen versoffenen Schweinen nichts zu tun!«
    »Das hättest du nicht sagen sollen, Peter.« Es klang fast traurig. Dann griff Judo-Fritze zu, faßte Kaul am Kragen des Pyjamas, hob ihn hoch wie eine junge Katze und trug ihn ins Zimmer. Dort ließ er ihn fallen, und Peter Kaul kugelte über den Boden vor sein Bett. Die Zimmergenossen lachten laut. Einer, ein kleiner, spindeldürrer Mann mit roten Augen wie ein Angorakaninchen, trat auf ihn zu und verbeugte sich.
    »Doktor Faßbender. Ich bin Jurist. Wenn Ihnen eine unwürdige Behandlung zuteil wurde – ich stehe Ihnen gern zur Verfügung. Wenn ich nur ein Stück Papier hätte, würde ich einen flammenden Schriftsatz anfertigen! Aber selbst auf dem Lokus ist kein Papier. Das müssen andere jeden Morgen klauen und fressen …«
    Peter Kaul antwortete nicht. Mit zitterndem Mund kroch er auf sein Bett, legte sich hin und zog die Decke über seinen Kopf. Um drei Uhr kommt Susanne, tröstete er sich, als er spürte, wie es in seiner Kehle zu würgen begann und die Tränen in seine Augen quollen. Sie wird mich hier herausholen! Und ich schwöre es … bei Gott und allen Heiligen und allen Engeln und beim Augenlicht meiner Kinder – ich schwöre es: Ich werde nie, nie wieder trinken!
    Sie hatte eingekauft, soviel Kredit sie bei den einzelnen Geschäften bekam. Überall hatte Susanne Kaul erzählt, daß ihr Mann Peter krank geworden sei, daß er in einem Krankenhaus sei und daß sie von dem Krankengeld und der Lohnausgleichszahlung des Betriebes alle Schulden bezahlen wolle.
    Entgegen landläufigen Ansichten, daß der Wohlstand die Herzen verhärtet, fand Susanne überall Mitgefühl und Hilfsbereitschaft. Jetzt sah sie auch, daß die Welt des Scheins, die sie um ihre Familie aufgebaut hatte, von den anderen längst durchschaut worden war, daß man wußte, welch ein Trinker Peter Kaul war und wie es zwischen den Wohnungswänden der Kauls in Wahrheit aussah. Susanne kränkte dies nicht mehr. Jetzt kämpfte sie um Peter … gegen die Behörden, gegen die Ärzte, gegen die Nachbarschaft, gegen sich selbst. Daß er bereit gewesen war, sich das Leben zu nehmen, daß ihn das Schicksal Gundis dermaßen erschüttern konnte, hatte sie ihm vorher niemals geglaubt. Ihre Liebe und ihre Ehe waren zur Gewohnheit geworden, nachdem die schöne, aber kurze Zeit der Leidenschaft verraucht war. Sie erfüllte klaglos und mit der erwarteten Bereitschaft ihre eheliche Pflicht, sie ertrug seinen keuchenden Alkoholatem und seinen weinerlichen Zusammenbruch, wenn er sich plötzlich auf die Seite warf und stotterte: »Ich kann nicht mehr … hol mir was zu trinken!« Und sie stand auf, tappte in die Küche, holte eine Flasche Bier und befriedigte ihn damit mehr als mit ihrem Körper. Dann wieder, ganz unverhofft, war er wieder wie früher. Voll Zärtlichkeit, voll Jugendkraft, voll Hingabe und bereit, alles zu versprechen, ein glücklicher Junge, der in ihren Armen ausruhte, den Kopf zwischen ihre

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