Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
…«
    »Ich habe dir frisches Obst gebracht, Peter. Apfelsinen, Weintrauben, Pampelmusen … Und Wurst habe ich da und einen ganzen Rosinenplatz, den du doch so gern ißt. Und –«
    »Die Kleider, Susi!«
    Er starrte sie an, sein Blick wanderte über den Tisch, erkannte das Netz, die Einkaufstasche, die Tüten und Paketchen mit den Aufschriften der ihm bekannten Geschäfte. Er sah sechs lange, noch etwas grüne Bananen, den dicken Zipfel einer Fleischwurst, der aus einem aufgegangenen Paket hervorquoll, und er sah, daß neben dem Tisch kein Koffer stand, nichts, gar nichts.
    »Wo sind die Sachen, Susanne?« fragte er laut. Von den anderen Tischen drehten sich einige zu ihm um. Judo-Fritze schob sich langsam näher.
    Peter Kaul wartete keine Antwort ab, er brauchte sie nicht mehr. Das Weinen Susannes sagte ihm alles, die Pakete auf dem Tisch sprachen stumm zu ihm. Da drückte er die Kinder von sich weg und warf den Kopf in den Nacken.
    »Man hat mich betrogen! Ihr wollt mich hier lassen! Ihr wollt mich hier begraben! In der Klapsmühle! Ihr wollt mich loswerden! Ihr wollt mich umbringen! Ihr wollt mich langsam, ganz langsam umbringen!«
    »Papi!« rief Heinz entsetzt. »Papi, sei doch still!«
    »Ich bin nicht mehr euer Papi!« Peter Kaul stürzte vor, ehe der Pfleger zugreifen konnte. Er schleuderte das Obst und die Wurst, den Rosinenplatz und die Weintrauben vom Tisch, fegte sie auf die Erde, warf sie an die Wand. Dann trat er um sich, als er den Griff des Pflegers spürte, rammte ihm den Kopf gegen die Brust und schrie und schrie.
    Petra und Heinz waren an die Wand geflüchtet und heulten laut. Susanne war stehengeblieben, mit leeren Augen, halb offenem Mund und vorgestreckten flehenden Armen.
    »Ich will nicht!« brüllte Kaul. »Ich bin gesund! Ich will nie wieder trinken! Nie wieder! Ich schwöre es! Ich will hinaus! Habt doch Erbarmen! Habt doch Mitleid! Ich will ja ein anderer Mensch werden! Ich will ja … ich will ja –«
    Judo-Fritze nahm ihn wie einen bellenden Hund zwischen beide Hände und trug den Schreienden hinaus. In einem Nebenzimmer hielten ihn zwei andere Pfleger fest, während Fritz ihm eine Injektion Megaphen gab. Nach einigen kurzen Zuckungen wurde Peter Kaul ruhiger … er stierte die weißen Kittel um sich an, sein verzerrter Mund entspannte sich, seine Augen sanken zurück.
    »Habt doch Mitleid …«, stammelte er. »Ich werde nie, nie wieder trinken …« Kurz darauf schlief er ein und wurde auf einer Rolltrage in sein Zimmer gefahren.
    Susanne Kaul verließ nach einigen tröstenden Worten des Stationsarztes die Anstalt. Wie sonst Peter Kaul, wenn er getrunken hatte, so ging nun auch sie mit geradem Rücken und hölzernen, staksigen Beinen. Petra und Heinz weinten noch immer. Sie verstanden den Papi nicht. So schöne Weintrauben hatten sie ihm mitgebracht, dicke Pampelmusen, eine lange Fleischwurst. Und er hatte alles an die Wand geworfen und geschrien, so laut geschrien, wie er es früher nie getan hatte, wenn er betrunken war. Und einen so schönen Schlafanzug hatte er an, gestreift, mit einem Schild auf der Brust. LHA. Es sah aus wie ein Orden, den die großen Männer immer bei Feierlichkeiten trugen. Im Fernsehen hatten sie es gesehen. Warum schrie er dann so?
    Wenn ich die Kinder nicht hätte, ich wüßte, was ich täte, dachte Susanne Kaul, als sie in der Straßenbahn saßen und in die Stadt hineinfuhren. Nur der Kinder wegen lebe ich weiter. Sie starrte aus dem Fenster und sah doch nichts als nur vorbeigleitende Schatten, mal hell, mal dunkler. Da schloß sie die Augen und lehnte sich zurück.
    Nun wird man ihn bestimmt in der Anstalt behalten, das ist sicher. Nun wird er so behandelt werden wie sie alle – wie irre Säufer. Nun ist das Tor hinter ihm zugefallen.
    Und warum? Warum? O Gott – warum?
    Die Hand Petras stieß sie leise an.
    »Wir müssen aussteigen, Mutti.«
    »Ja, mein Liebling.«
    Dann gingen sie weiter, der Wohnkolonie zu, eine junge Frau mit den Schritten eines hölzernen Soldaten, an jeder Seite ein Kind, und in ihren Augen lag ein Erleben, das sie noch nicht voll begriff.
    Wie er es schaffte, blieb eine Zeitlang ein Rätsel. Man fand jedenfalls sein Bett leer, als die Nachtkontrolle ins Zimmer siebzig sah.
    In der Nacht brach Peter Kaul aus der Heilanstalt aus.
    Es war gegen drei Uhr morgens.
    Um diese Zeit lief Peter Kaul in seinem Anstaltsschlafanzug quer durch Essen, durch stille Straßen, immer im Schatten der Häuserwände.
    Er lief nicht ziellos. Der

Weitere Kostenlose Bücher