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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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seine große Liebe und seine einzige, bei Gott, leise sagte: »Nein. Bleib, Petra. Vielleicht ist es jemand, der von Papi Nachricht bringt.« Es war eine Lüge, eine Beruhigung der ängstlichen Kinder, und dabei hatte sie mehr Angst als Heinz und Petra. Ihre Stimme war kläglich. O Susanne, Susanne, dachte Peter Kaul und küßte die Tür. Mach auf … mach doch auf … Ich komme aus der Hölle … aber ich bin kein Teufel, nein, nein … ich bin euer Vater … und ich will nichts, als nur bei euch sein … bei meiner Familie …
    Schritte. Zur Tür. Peter Kaul wich zurück. Er wich zurück bis zum Treppengeländer, riß die Arme nach hinten und hielt sich dort fest.
    Die Treppenhausbeleuchtung war längst erloschen … drei Minuten sollte sie brennen, laut Mietvertrag, aber der Hausmeister, der die Wohnblocks betreute, hatte den Automaten auf zwei Minuten heruntergestellt. »Auch Pfennige sind Gemeingut in einer Genossenschaft!« sagte er immer. »Man kann die Treppen hinaufschleichen oder sie in forschem Schritt nehmen. Bei uns wird nicht geschlichen …« Also zwei Minuten Licht. Es stellte sich heraus, daß es reichte.
    »Wer ist da?« Peter Kaul hörte die Stimme Susannes. Sie mußte die Lippen an die Klinke gelegt haben, vielleicht sah sie durchs Schlüsselloch. Aber draußen war es dunkel. Zwei Minuten Licht! Und es neu anknipsen wollte er nicht. Er kam aus der Dunkelheit … Er hörte, wie Heinz laut sagte: »Mach ruhig auf, Mutti! Petra geht zum Fenster. Wenn einer was will, rufe ich nur ›Los‹, und Petra brüllt auf die Straße.«
    Meine Kinder! Peter Kaul spürte, wie Tränen in seine Augen traten. Mein kleiner Heinz. Er will tapfer sein. Er wird einmal ein guter Junge werden, Gott gebe es. Er wird an seinem Vater lernen, wie man nicht werden soll.
    Die Tür sprang auf. Ein kurzes Schlüsselklirren, ein leises Knirschen … und dann fiel der Lichtschein aus dem Wohnungsflur auf die Treppe und auf den Mann am Geländer, auf die Gestalt in dem gestreiften Anstaltsschlafanzug mit dem Monogramm LHA auf der Brust.
    Sie sahen sich groß an … Susanne und Peter Kaul … sie erkannten sich und begriffen doch nicht, daß sie es waren. Das erste Erkennen ging noch nicht in das Bewußtsein, aber dann dachte das Gehirn: Er ist da!
    Und: Ich bin zu Hause.
    Und: Er ist einfach weggelaufen! O mein Gott, mein Gott, mein Gott …
    Und: Wie schön du aussiehst, Susanne. Nie habe ich dich so schön gesehen. Deine großen Augen, deine langen Haare, dein schlanker Körper in dem alten Bademantel, die schmalen Fesseln deiner Füße. Du bist schön Susanne, meine Frau …
    »Pa-Papi«, stotterte Heinz, der neben ihr stand. »Wirklich Papi …« Und Petra kam aus dem Schlafzimmer, weil sie nachschauen wollte, warum sie nicht um Hilfe zu schreien brauchte, und auch sie sah den Mann im gestreiften Schlafanzug fassungslos an und sagte mit kindlichem Unverständnis:
    »Mami … ist er es denn wirklich …?«
    Susanne schob die Kinder von sich weg und trat an die Flurwand zurück. Die Tür war offen, das Licht fiel hell in das Treppenhaus, der Eingang zur Wohnung war weit und hell und freundlich.
    »Komm 'rein Peter …«, sagte sie leise.
    Und er tappte in seine Wohnung, nahm links und rechts ein Kind unter den Arm und war so glücklich, so zufrieden, so wunschlos wie noch nie.
    Ich werde nie, nie mehr trinken, schwor er sich.
    Am frühen Morgen schon erschienen sie, um ihn abzuholen.
    Peter Kaul sah sie, wie sie aus den beiden Wagen ausstiegen, die unten vor dem Haus hielten. Einer war ein normaler Personenwagen, und aus ihm kletterten der Oberarzt, ein Polizist, noch ein Polizist und Pfarrer Merckel. Der andere Wagen war dumpf grün gestrichen, sah aus wie ein Kombi, nur war das Rückfenster vergittert, und auch zum Fahrersitz hin war eine Wand aus Gitterstäben und Drahtgeflecht. Judo-Fritze wälzte sich aus der Fahrerkabine und reckte seinen gewaltigen Körper. Es war, als könne man das Knacken seiner Knochen, Muskeln und Sehnenbänder bis hinauf zum Fenster hören. Ein zweiter Mann, in einem weißen Kittel, gesellte sich zu Judo-Fritze, rauchte eine Zigarette an, sah hinüber zu den vier Herren am Personenwagen und dann hinauf zum Haus.
    Peter Kaul trat von der Gardine weg. Sein Gesicht war weiß und teigig.
    »Da sind sie!« sagte er heiser. Er umklammerte die Schultern Susannes und grub seine Fingernägel durch ihren Bademantel. Sie umfaßte seinen Kopf mit beiden Händen, küßte ihn und lehnte dann das Gesicht weinend

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