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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hieß. A und b saßen schon drin.
    Die Tür hinter ihm klirrte zu, der Riegel knirschte in die Halterung. Er blieb stehen und sah seine beiden Zellengenossen fragend an. »Kaul«, sagte er dann. »Peter Kaul. Elektriker.«
    Der Insasse 112a erhob sich und verbeugte sich:
    »Franz Lukasch. Sittlichkeit.«
    Und 112b: »Emil Hangelar, Einbruchdiebstahl.«
    Dann sahen sie sich an, lachten laut, fielen auf ihre Schemel und lachten noch lauter.
    »Junge, Junge!« rief endlich Franz Lukasch. »Bist du eine Flöte! Warum haste vom Primel-Kurt nicht einen Frack verlangt.« Er erhob sich und kam auf den verbissen dreinschauenden Kaul zu. »Los, mach die Schnauze auf … was haste ausgefressen?«
    »Selbstmord«, sagte Kaul dumpf.
    Die beiden, 112a und 112b, sahen sich groß an. Dann waren sie sich einig, daß eine Pflaume in ihre Zelle gekommen war.
    »Ein Justizirrtum, mein Gott!« sagte Emil Hangelar und verdrehte die Augen. »Laßt uns gemeinsam weinen, Freunde …«
    Der erste Tag im Gefängnis war nicht schön, aber paradiesisch gegen die Station von Judo-Fritze.
    Wer den Arzt und Hirnchirurgen Dr. Konrad Linden kannte, war berechtigt, neidisch zu sein. Was das Füllhorn des Lebens auszuschütten vermochte, hatte es über Dr. Linden ausgestreut. Erfolg, Reichtum, eine eigene Klinik, Betten in drei anderen Krankenhäusern, einen internationalen Namen, Sachverständiger bei Gerichten, eine schöne, elegante Frau, eine Tochter, die gerade ihre Mittlere Reife machte, Verfasser zweier Lehrbücher über Psychiatrie und traumatische Chirurgie, Tennisspieler mit vielen Pokalen, Motorbootfahrer auf dem Lago Maggiore, Herrenreiter mit dem am besten sitzenden roten Frack, passionierter Jäger mit einem kleinen Saal voller Trophäen in seinem weitgestreckten Landhaus, Besitzer eines Sportwagens, Träger einer Figur und eines Gesichtes, die Patientinnen wie Schwestern der Klinik gleichermaßen zum verinnerlichten Seufzen reizten … was wollte Dr. Linden noch mehr vom Leben?
    Seine Gastlichkeit war so berühmt wie seine Abruptheit, wenn ihn jemand außerhalb der Klinik mit medizinischen Dingen belästigte. Er küßte die Hand einer Dame so galant, daß diese nervös mit den Zehen im Schuh spielte, und er war so grob wie sein großes Vorbild Sauerbruch, wenn es darum ging, die persönliche Note auch noch um dieses Odium genialer Ungezogenheit zu bereichern. Seine Visiten waren berüchtigt, seine Operationen wurden gefilmt, seine Kollegs als Privatdozent waren überfüllt. Er wurde angehimmelt und verflucht – mit einem Wort: Er war ein großer Mann.
    Die Untersuchung der kleinen Gundula Kaul hatte Dr. Linden längst vergessen. So etwas Alltägliches bleibt nicht haften. Ein Säuferkind. Wie viele Tausende liegen so herum? Wie viele Tausende verbergen sich in den Anstalten, isoliert von der Menschheit, vergessen von ihren Erzeugern, der Wohltätigkeit des Staates oder der kirchlichen Organisationen übereignet, Wesen zwischen Spuk und Alptraum, vom mummelnden Blöden bis zum Mongoloiden, vom kriechenden Insekt bis zum pulsenden Klumpen Fleisch. Ein Anblick, der für Dr. Linden sowohl das Schaurige als auch das Tragische verloren hatte. Es waren nur mehr Karteinummern, Krankenblätter, Fieberkurven. Nicht einmal Namen hatten sie zum Teil. Sie wurden nach ihrer Krankheit oder nach ihrer Bettnummer benannt.
    Wer war da Gundula Kaul?
    Der Morgen eines der Arbeitstage Dr. Lindens begann wie immer: Der Portier der Klinik sah den weißen Sportwagen auf dem Weg zur Privatstation rasen und meldete durch einen Druck auf eine Taste der Rufanlage an alle Stationen: Der Chef ist da!
    Die Oberschwester und der Oberarzt standen schon bereit, als Dr. Linden aus seinem Zimmer trat, in seinem weißen, leicht angestärkten Arztmantel, weißen Schuhen und weißen Leinenhosen. Der goldene Clips eines goldenen Kugelschreibers leuchtete aus der linken Brusttasche.
    »Besonderes?« fragte er knapp.
    »Nein. Nur vor fünf Minuten ein Anruf. Unfall auf dem Ruhrschnellweg. Wollten zu uns verlegen, aber wir haben weitergegeben an Bergmannsheil.« Der Oberarzt warf einen schnellen Blick auf seinen Notizblock. »Ein Herr Hatzenbach ist verunglückt. Zwei Autos frontal. Nach Aussagen der Polizei soll eine schwere Schädelfraktur –«
    »Hatzenbach?« fragte Dr. Linden. Sein von den Frauen verschwiegen geküßtes Gesicht wurde hart. Schönheit verlor sich in zerfurchter Strenge.
    »Konsul Hinrich Hatzenbach?«
    »Ich weiß nicht. Hinrich hieß er –«
    »So etwas

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