Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
sagte er und betrachtete sich noch einmal im Spiegel an der Innenwand des Kleiderschrankes. »Ich nehme an, daß mein äußerer Eindruck gut ist.«
    Susanne saß auf dem Bett und weinte haltlos. Auch das beruhigende Klopfen der pfarrerlichen Hand auf ihrer Schulter hielt den Weinkrampf nicht zurück. Peter Kaul nahm ihr Gesicht zwischen beide Hände, küßte ihre nassen Augen, den salzigen Mund, strich ihr über die blonden Haare und – Herr Pfarrer, sehen Sie weg, zur Seite, an die Decke, in den Himmel – mit der offenen Hand über ihre Brüste.
    »Denk gut an mich«, sagte er stockend. »Und sag den Kindern, daß ich bald wiederkomme und ihnen etwas Schönes mitbringe …«
    Zu Fuß gingen sie später zum Präsidium, stumm, im gleichen Schritt. Sie mußten sich lange durchfragen, bis sie jemanden fanden, der zuständig war.
    Das Problem, das sie herantrugen, war ungewöhnlich und stand in keiner Ausführungsbestimmung.
    Da kommt ein Mann, der aus der Landesheilanstalt ausgebrochen ist, als notorischer Alkoholiker, mit einem Einweisungsbeschluß, ein verhinderter Selbstmörder, und stellt das Ansinnen, in ein Gefängnis eingeliefert zu werden. In die U-Haft. Auf Vorhaltungen, daß dies unmöglich sei, sagte dieser Mann schlicht:
    »In die Klappsmühle gehe ich nicht zurück. Ich werde jeden Beamten, der mich dorthin bringt, zum Krüppel schlagen. Das reicht doch für die U-Haft, nicht wahr?«
    Ein schweres Problem. Die Staatsanwaltschaft wurde bemüht, Pfarrer Merckel sprach selbst mit dem Oberstaatsanwalt, und es ergab sich, daß doch ein Paragraph zuständig war: Schutzhaft.
    »Sie haben Glück, Kaul, daß man bei uns an alles denkt«, sagte Pfarrer Merckel freudig. »Sie kommen tatsächlich ins Gefängnis und nicht mehr in die Heilanstalt. Nur weiß ich nicht, warum Sie da hinein wollen.«
    »Wenn ich schon nicht zu Hause leben darf, will ich wenigstens nicht unter Irren und Warmen leben«, antwortete Kaul bestimmt.
    Eine Stunde später meldeten sie sich in der Aufnahme des Gefängnisses. Es gab wieder lange Rückfragen, weil Kaul keine schriftliche Einweisung vorzeigen konnte. »So einfach kommt keiner in 'n Knast!« sagte der Oberwachtmeister in der Schreibstube gemütlich. »Junge, was wären wir dann überfüllt! Frei Kost und Logis, frei ärztliche Betreuung, einmal in der Woche ein bunter Abend mit Fernsehen … nicht wahr, Herr Pfarrer, die haben's oft besser als mancher Familienvater!«
    Aber dann ging alles schnell. Händedruck mit Pfarrer Merckel, ab zum Baderaum, baden, Frage des Wachtmeisters: »Filzläuse? Schon mal geschlechtskrank gewesen? Bücken! Keine Hämorrhoiden! Ab durch die Mitte!« Kleiderkammer, Abgabe des Zivils, Unterschrift unter die Asservatenliste, Empfang der Gefängnisklamotten, blaues Käppi, blauer Anzug, Wollstrümpfe, dicke Lederschuhe, plötzliches Stutzen, Verlegenheit: »Sie sind ja U-Häftling! Warum sagen Sie das nicht gleich? Sie dürfen ja alles behalten!« Aber Peter Kaul will nichts Ziviles behalten, er winkt ab und wird weitergereicht.
    Komischer Vogel, das flattert vor ihm her durch die Gänge und Türen, zum Wachtmeister, zum Kalfaktor. Da kommt einer, er ist plemplem. Weggesoffenes Hirn. Harmlos und farblos, Hautfarbe wie ein Onanist. Soll aber drei Kinder haben. Na, wenn schon …
    Im Zellenbau, im gläsernen Aufsichtsturm, umgeben von eisernen Treppen und Geländern – so was kenne ich nur aus dem Kino und aus Fernsehspielen, dachte Peter Kaul, aber sieh an, es stimmt wirklich –, empfing ihn der Wachtmeister mit einer Rede.
    »Kaul!« sagte er. »Sie sind jetzt hier!« Wie klug solche Feststellungen sind. »Und Sie haben das Recht der Beschwerde, wenn Ihnen etwas nicht gefällt, was nach Ihrer Meinung ungesetzlich ist. Ich möchte erwähnen, daß sich in den letzten zehn Jahren noch keiner aus meinem Block beschwert hat. Sie bekommen Zelle Nr. 112, zweiter Stock. Merken Sie sich die Nummer. Ich rufe der Vereinfachung wegen öfter nur die Zahl. Also Nr. 112c.« Der Wachtmeister lächelte jovial. Er nahm eine kupferne, kleine Gießkanne und begann, sieben Primeltöpfe an den gläsernen Wänden zu begießen. »Verstehen wir uns?«
    »Jawohl, Herr Wachtmeister.« Kaul nahm stramme Haltung an. Einen Augenblick zwinkerte der Wachtmeister verwirrt mit den Lidern. Dann erinnerte er sich des Telefonats aus der Aufnahme. Ein bißchen plemplem.
    »Gehen wir …«
    Peter Kaul bekam seine Zelle. Sie war bereits mit zwei Mann belegt, und nun begriff er auch, warum er 112c

Weitere Kostenlose Bücher