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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weiß man!« schrie Dr. Linden plötzlich. »Konsul Hatzenbach ist ein Reitklubkamerad von mir! Erster Direktor der Vereinigten Stahl! Und Sie schicken ihn ins Bergmannsheil? Ist denn so etwas möglich? Los, anrufen, nachfragen, ob transportfähig. Und dann her zu mir!«
    Er drehte sich schroff um und ging in sein Zimmer. Oberarzt und Oberschwester sahen sich fragend an. Wer ruft an, hieß diese stumme Blicksprache. Wer sagt den Kollegen im Bergmannsheil, daß Konsul Hatzenbach ein Patient Dr. Lindens ist?
    »Ich werde telefonieren«, sagte die Oberschwester und lächelte. »Einer Frau sagt man nicht Dinge, die man einem Mann sagen würde.«
    Eine Stunde später rollte der Krankenwagen in den Aufnahmehof. Im OP war alles vorbereitet. Die Diagnose aus Bergmannsheil war klar. Schädelfraktur. Knochenabsplitterungen im Hirn. Schäden des Hirns noch nicht übersehbar. Es sah ganz so aus, als sei man froh, daß Dr. Linden diesen Patienten abgeholt hatte.
    Zu einer erneuten langen Röntgenkontrolle war wenig Zeit. Der Puls Hatzenbachs war weich, die Atmung flach und unregelmäßig.
    Dr. Linden saß in seinem Zimmer, während Konsul Hatzenbach für die Operation vorbereitet wurde. Die Post hatte eine neue Liste der Untersuchungskandidaten gebracht, die auf Gerichtsbeschluß einem Gutachter vorgestellt werden mußten. Eine Liste voller Leid und Grauen. Ein Mord. Zwei Entmündigungsverfahren. Eine Notzucht. Vier Einweisungen in Trinkerheilstätten. Ein Fall von schwerer Zerebral-Sklerose. Und doch alltäglicher Kleinkram. Dr. Linden sah auf die Liste.
    Kaul. Peter Kaul, dachte er. Woher kenne ich den Namen?
    Er versuchte sich zu erinnern. Aber er suchte in einer falschen Welt. Direktor Kaul. Dr. Kaul? Dipl.-Ing. Kaul? Er fand keine Erinnerung. Um nachher in der Patientenkartei nachzusehen, machte er ein kleines rotes Kreuz vor dem Namen. Kaul? Kaul? Untersuchung wegen chronischem Alkoholismus? Gab es nicht einen Kaul im Tennisklub? Generalvertreter einer Spirituosenfirma?
    Das Telefon summte, diskret, in Moll. Er nahm ab und bekam aus dem OP gemeldet, daß alles klar sei. Die Operationsschwester paßte sich dem Ton Dr. Lindens an. Knapp, das Wesentliche herausstellend. »Patient liegt in Narkose. Anästhesie besonders schwierig wegen Puls. Geben dauernd Herzstärkung.«
    »Danke.« Dr. Linden legte auf und erhob sich.
    Im OP wartete alles auf den Chef. Als er endlich eintrat und an die Waschbecken ging, ahnte er, daß eine schwierige Operation auf ihn wartete. Der Oberarzt und der Erste Assistent standen schweigend um den Operationstisch. Die OP-Schwester saß auf einem Schemel neben dem Instrumentenbrett. Sie stehen herum wie eine Totenwache, dachte Dr. Linden und spülte sich Hände und Arme unter dem heißen Wasserstrahl ab.
    Mit tropfender Haut trat er an den Kopf Konsul Hatzenbachs und beugte sich über die klaffende Schädelwunde. Die Schädeldecke war eingedrückt und gesplittert. Ein Teil des rosagrauen Großhirns war herausgetreten. Aber das schreckte ihn nicht. Wenn man weiß, mit wie wenig Hirn man leben kann, verliert ein geöffneter Schädel seine Dramatik.
    »Beginnen Sie schon mit der Trepanation, Krüger«, sagt Dr. Linden zu seinem Oberarzt. »Legen Sie ein genügend großes Fenster. Das andere mache ich dann.«
    Er ging zu dem Waschbecken zurück und trocknete die Hände und Arme an einem sterilen Handtuch ab. Dabei probierte er die Reaktion und Tastfähigkeit seiner Fingerspitzen. Sie waren sein wichtigstes, sein einziges Kapital. Wer im Gehirn operiert, wer seidenfadendünne Nerven ertasten muß, muß in den Fingerspitzen das Gefühl einer elektrischen Sonde haben. An dem Tastsinn der Chirurgenhand hängt oft das Leben eines Patienten.
    Dr. Linden blickte schnell zurück zum OP-Tisch. Dr. Krüger trepanierte. Die Instrumente klirrten, ab und zu ein Wort, eine nach den Instrumenten ausgestreckte Hand mit der stummen Fingersprache. Schere, Tupfer, Klemme, Knochensäge. Elektromesser …
    Noch einmal tippte Dr. Linden die Fingerspitzen seiner Hände gegeneinander. Er strich ganz sacht, wie ein Hauch nur, über die weißen Kacheln neben dem Waschbecken. Und in diesem Augenblick trat in seine Augen ein gehetzter, ein panischer Ausdruck, das schöne Gesicht verhärtete sich zu einer Maske, die Lippen wurden dünn, strichähnlich … er verließ mit schnellen Schritten den OP, so, als flüchtete er vor der Notwendigkeit, an den geöffneten Schädel heranzutreten.
    Oberarzt Dr. Krüger und die OP-Schwester warfen

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