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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mal, du bist Elektriker?«
    »Ja.«
    »Wülste arbeiten?« Judo-Fritze beugte sich vor. »Wohlverstanden, das bleibt unter uns. Als Erster-Klasse-Patient kannste verlangen, daß se dich in Watte rollen und dir Zucker in 'n Hintern blasen. Aber ich halte nicht viel davon. Ich meine, du bist glücklicher, wennste arbeiten kannst.«
    »Ja«, sagte Peter Kaul wie aufgedreht.
    »Ich baue mir nämlich ein Haus.« Judo-Fritzes Gesicht glänzte vor Stolz. »Einen Bungalow, weißte. Fenster bis auf die Erde, Terrasse, flaches Dach. Wie die Amerikaner in Florida. Geht zwar langsam … jedes Jahr einen Teil, aber jetzt sind die Installationen dran. Wülste?«
    »Ja.«
    »Der Professor merkt es nicht, der sieht dich nur bei der Visite. Der Oberarzt ist auch nicht da, der sitzt über den Gutachten. Der Stationsarzt ist ein guter Freund von mir, dem habe ich die Lola besorgt. Damit ist er ausgelastet. Ich nehme dich nach dem Mittagessen mit zu mir, und dann kannste arbeiten. Aber wehe dir, wenn du auch nur einen Tropfen säufst!«
    »Ich trinke nie mehr«, sagte Peter Kaul leise.
    »Und die Sache im Knast, he?«
    »Ich wollte weg. Weg von diesen Menschen da …«
    »Und hier gefällt's dir besser?«
    Peter Kaul hob die Schultern, als fröre er. »Die Hölle ist überall«, sagte er mit klammer Stimme. »Was uns bleibt, ist, sich die richtige Ecke auszusuchen.«
    Drei Tage warteten Susanne Kaul und die Kinder auf eine Benachrichtigung vom Gefängnis. Pfarrer Merckel war verreist, zu einer Theologentagung. Für acht Tage. Ein junger Vikar hatte den Gottesdienst und die anderen pfarramtlichen Aufgaben übernommen. Was niemand wußte: Pfarrer Merckels Tagung fand in einem kleinen Sauerlanddorf statt. Dort, in schlichtem Zivil, hatte er sich in einem Gasthof eingemietet und soff vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. In der Nacht aber schlief er kaum, nur knapp drei Stunden – da saß er vor einem Stapel Papier und schrieb mit seiner energischen, steilen Handschrift ein Buch. Titel: ›Ein Priester spricht zu euch!‹ Ein Buch voller Predigten, kraftvoll, erregend, das Gewissen aufreißend. Eine Philippika gegen den Trunk, das war es. Eine Verdammung des Saufens. Ein Hilfeschrei zu Gott.
    Um so etwas zu schreiben, mußte er betrunken sein, es ging gar nicht anders. Im Dorf kannte man ihn nach zwei Tagen. ›Der besupene Poet‹ nannten ihn die Sauerlandbauern.
    Susanne Kaul wartete also auf eine Nachricht aus dem Gefängnis. Ihr Mann schrieb nicht, und sie dachte sich, daß er aus Scham schwieg, daß er darauf wartete, daß sie zuerst zu ihm kommen und ihm sagen würde: »Mein Peter … es wird alles wieder gut.«
    Hinzu kam, daß sie eine merkwürdige Begegnung hatte. Einen Tag nach Kauls Abgang ins Gefängnis schellte es an der Tür. Ein Mann stand davor, ein Unbekannter, zog den Hut und lächelte wie ein Staubsaugervertreter. Schon wollte Susanne sagen: »Danke! Wir sind reichlich versorgt!«, als er fragte: »Ist Herr Kaul nicht zu sprechen?«
    »Nein. Er ist krank«, sagte sie. »Was wollen Sie?«
    »Liegt er im Bett?«
    »Ja. Im … im Krankenhaus …«
    »Oh, wie schade.« Der Fremde setzte den Hut wieder auf. Ein Fuchsgesicht hatte er, dachte sie. Wenn er lächelt, sieht er aus wie der Fuchs in Petras altem Märchenbuch, bevor er die Gans zerrupft. »Ein Unfall?«
    »Ja! Aber wer sind Sie? Kommen Sie von der Krankenkasse? Sind Sie der Kontrolleur?«
    »Nein. Mein Name ist Hubert Bollanz. Er sagt Ihnen nichts, Frau Kaul, aber wenn Sie Ihren Mann besuchen, erwähnen Sie bitte, daß ich hier war. Ich bin ein alter Freund von ihm, ich wollte ihm nur einmal die Hand drücken …«
    Dann ging der Fremde, den Susanne in den Jahren ihrer Ehe nie gesehen und von dem sie nie etwas gehört hatte. Auch Peter hatte nicht von ihm erzählt. Aber sie behielt den Namen. Hubert Bollanz.
    Auch das war ein Grund, daß Susanne nach drei Tagen Warten Gundula einer Nachbarin zur Bewahrung gab und die Zeit, in der Heinz und Petra in der Schule waren, ausnutzte, mit der Straßenbahn zum Gefängnis fuhr und dort auf den Pfortenbeamten, den Wachhabenden, traf.
    Das Gespräch war kurz. Frauen von Knastbrüdern haben wenig Anspruch auf gehobene Umgangsformen.
    »Name?«
    »Kaul. Peter Kaul.«
    »Angemeldet? Wo ist Ihre Sprecherlaubnis?«
    »Ich … ich habe kein …«, stotterte Susanne verwirrt. »Wieso muß ich –«
    »Sie können doch nicht einfach hierherkommen und sagen: Ich möchte den Kaul sprechen! Wir sind doch kein Hotel, und ich bin kein

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