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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der täglich hundert Frauen glücklich machte. Es ist unheimlich, welch ein Wunder und welch ein Fluch im Alkohol stecken. »Ich komme wegen von Putthausen.«
    »Putthausen? Wer ist das?« fragte Brosius irritiert. Blitzschnell überdachte er die letzten Gutachten. Putthausen? Nicht dabei. Ganz sicher nicht dabei. Ein solcher Name bleibt im Gedächtnis, zumindest ein paar Tage.
    »Karin von Putthausen. Sie ist Patientin im Haus fünf. Seit drei Monaten, glaube ich.«
    »Ach ja. Die!« Brosius erinnerte sich. Das blonde Mädchen mit dem Madonnengesicht. Abgerutscht, total versoffen und verdorben. Mit einem Freund an der Nordsee fing es an, mit einem Italiener in Rimini während der großen Schulferien ging es weiter. Kurz vor dem Abitur brach sie zusammen. Nervenschock. Im Kleiderschrank fand man siebenundzwanzig leere Flaschen! Alles scharfe Sachen. Sie galt als intelligent, hätte das Abitur blendend gemacht, aber da waren die Männerbekanntschaften, die viele Freizeit als Industriellentochter, der Alkohol, die Partys, und später die Angst: Du schaffst es nicht. Du mußt trinken … trinken … um zu vergessen und um dir Mut zu machen.
    »Tragischer Fall!« sagte Brosius. »Typische Wohlstandstrunksucht!« Er sah Dr. Linden fragend an. »Was ist denn mit Karin?«
    »Die Verwandten haben mich gebeten, sie zu mir in meine Klinik zu nehmen.«
    »Ach!« Prof. Brosius zog sich zusammen wie ein angetippter Igel. Verlegen, weg von ihm! War Linden besser als Brosius? Wegen eines Patienten der Sozialversicherung brauchte man nicht zu reden, aber ein Privatpatient ist wert, daß man um ihn kämpft. »Wieso denn? Hier wird alles getan, was –«
    »Ich bin der Ansicht, daß Fräulein von Putthausens Trunksucht ein Spätschaden ist. Folge einer Verletzung. Ich glaube, es handelt sich um eine traumatische Hirnleistungsschwäche nach Reichardt, die, wie Sie wissen, auch zu Alkoholmißbrauch führt.«
    Prof. Brosius zog das Kinn an. Der Ausdruck ›wie Sie wissen‹ beleidigte ihn. Natürlich wußte er! Er brauchte von einem jungen Dozenten keinen Vortrag über traumatische Störungen. Es war bekämpfungswürdige Arroganz, die Linden da praktizierte. Brosius räusperte sich. Auch wenn der Herr Dozent recht hat, dachte er, man muß ihm widersprechen. Aus Prinzip! Es ist unerhört, einen Professor belehren zu wollen.
    »Mein Bild von der Kranken ist anders. Es handelt sich um psychische Störungen, um Freudsche Komplexe, die sie mit Alkohol auffüllt. Sie ist, schlicht gesagt, das Opfer ihrer Langeweile und ihrer Lebenssehnsucht.«
    »Trotzdem. Die Verwandten bitten um eine Verlegung zu mir – ich möchte den Fall hirnchirurgisch sehen.«
    »Bitte!« Brosius erhob sich. Die Zigarre war erkaltet wie er selbst. Die kollegiale Freundlichkeit erfror in der eisigen Luft ärztlicher Konkurrenz. »Wenn ich einen schriftlichen Antrag erhalte. Fräulein von Putthausen ist freiwillig gekommen … sie kann auch wieder freiwillig gehen! Ich halte keinen bei mir!« Das klang spitz und verletzt. Dr. Linden erhob sich ebenfalls.
    »Mein Klinikwagen wird Fräulein von Putthausen in drei Stunden abholen. Bis dahin haben Sie die Vollmacht der Verwandten, Herr Professor.«
    Eine knappe Verbeugung, eine Gegenverbeugung von Brosius, die Sekretärin Bänkel, begabt mit dem sechsten Sinn, riß die Tür auf, Dr. Linden nickte ihr zu, mit dem Charme, der auf Frauen wie Höhensonne wirkt, die Tür klappte zu. Prof. Brosius war allein und sagte halblaut vor sich hin:
    »So eine Frechheit! Dieser Linden! Er ist gefährlich.«
    Dann goß er sich noch einen Cognac ein und trank ihn langsam und genußvoll. Aber er schmeckte ihm nicht mehr. Es war ihm, als habe er eine der Verekelungspillen genommen, die man den Patienten in den ersten Tagen nach ihrer Einlieferung verabreicht.
    Drei Stunden später hielt der Klinikwagen Dr. Lindens an der Aufnahme. Prof. Brosius wurde benachrichtigt. Die Verwandten Karins hatten noch keine Nachricht gegeben. Brosius winkte ab, als Sekretärin Bänkel auf diesen Umstand hinwies.
    »Geben Sie die Patientin mit!« sagte Brosius unwillig. »Soll ich ein Theater machen, was? Linden übernimmt die Verantwortung.«
    »Aber wir müssen doch, Herr Professor …« Fräulein Bänkel pochte auf die Krankenakten. Brosius schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
    »Ich bin Arzt und erst in zweiter Linie Beamter! Die Verwandten werden den Antrag nachreichen! Soll ich den Wagen wieder wegschicken? Keine Angst, Bänkel, Ihre Akten werden

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