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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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klein und mickrig wie'n überwinterter Primelpott! Die bringt mich um 'n Verstand, das Weib! Im Bett … Junge, Junge! War früher Bardame, die Lucie. Komisch, was! Bardame und Irrenpfleger, die Welt ist 'n Karussell! Ich weiß bis heute nich, was se an mir gefressen hat!« Und auch Kaul wußte es nicht, denn Lucie Kellermann war auch zu ihm freundlich, kam ihm einmal in den Keller nach, strich ihm über den Rücken und die Hüften, seufzte und sagte mit einer Stimme in Moll:
    »Sind Sie wirklich ein Säufer, mein Lieber?«
    »Ja!« hatte Kaul geantwortet. »Und geschlechtskrank dazu.«
    »Schade …« Und Lucie Kellermann war wieder gegangen. Lange hatte Kaul daraufhin im Keller gestanden und an Susanne gedacht. Ob sie auch so war? Ob sie auch dem Gasmann über die Hüften strich oder dem Nähmaschinenvertreter die Brust kraulte? Waren alle Frauen so? Nein. Susanne nicht. Er hatte einen Engel geheiratet. Wahrlich, sie war viel zu gut für ihn. Aber war er anders? Hatte er nicht Lucie Kellermann mit einer erfundenen Lues abgeschreckt? Wer hätte das sonst getan an seiner Stelle? Lucie war sehr süß und wohlgeformt. Wenn ein Apfel vom Baum fällt, fängt man ihn auf. Aber er hatte nein gesagt. War er auch ein Engel?
    Peter Kaul meldete sich nach diesem Vorfall krank und unterbrach seine Bautätigkeit. Er klagte über Kopfschmerzen, legte sich ins Bett und schrieb an seine Frau. »Liebste Susi, mein Traum in allen Nächten«, so begann er. Dann warf er Papier und Kugelschreiber weg, schloß die Augen und sprach sich gütig zu:
    Ein halbes Jahr, mein Lieber, dann ist alles überwunden. Dann wirst du arbeiten wie ein Roboter. Du wirst deine Familie aus dem Dreck ziehen. Susanne soll glücklich werden, und die Kinder sollen ihren Vater lieben und ehren. Nicht einen Tropfen Alkohol wirst du wieder trinken!
    An einem Samstag stand er in der Aufnahmehalle und reparierte einen Schalter, als zwei Wagen vorfuhren und einige nach der neuesten Mode gekleidete Herren ausstiegen. Prof. Brosius, der anscheinend auf diesen Besuch gewartet hatte, kam in die Halle, was bewies, wie wichtig die Herren waren.
    Wieder öffnete sich die Wagentür. Auf den gekachelten Boden sprang ein Mann in der wallenden Toga der Römer. Ein goldener Eichenkranz lag auf seinen blonden Haaren. Würdevoll schritt er auf Kaul zu, ehe die anderen es verhindern konnten, und hob die Hand zum alten römischen Gruß.
    »Bist du es, Cassius?« fragte der Kostümierte. »O wehe dir, dein Dolch war stumpf! Du mußt zu Meier und Co. gehen! Messerschleifen einsfünfzig! Aber vergiß die Spitze nicht. Sie kitzelt so süß an den Rippen …«
    Peter Kaul nickte hilflos. Der Römer tippte mit den Fingerspitzen auf den Schraubenzieher, den Kaul wie schützend vor sich hielt. Dann wandte er sich brüsk ab, breitete die Arme nach Brosius aus und rief: »Großer Marc Anton! Vergiß deine Rede nicht! Aber sorge dafür, daß Cassius zu Meier und Co geht!«
    Dann wurde er von den anderen Herren in die Mitte genommen und weggeführt.
    »Das war der große Schauspieler Hendrik Kayser«, erklärte Judo-Fritze später. »Kommt jedes Jahr auf sechs Wochen zur Entziehung zu uns. Nach jeder großen Rolle ist er so total die Gestalt, die er spielt, daß wir ihn erst mühsam zurückverwandeln müssen. Einmal war er Napoleon, dann König Lear – das war'n Theater, Peter! –, vorher kam er als Faust und dann als Wilhelm Tell. Da wollte er jede Stunde einen Apfel vom Kopf des Professors schießen und tobte, wenn Brosius es nicht wollte. Jetzt ist er Cäsar. Brosius studiert schon die ganze Weltliteratur, ob es nicht eine Hauptrolle als Adam gibt.« Judo-Fritze lachte dröhnend. »Das ist'n echter Trinker! Der studiert alle Rollen im Suff und identifiziert sich dann mit ihnen.«
    Der Skandal, den Dr. Linden ausgelöst hatte, wurde nur unter der Hand in den eingeweihten Kreisen bekannt. Prof. Brosius sorgte dafür, daß die Presse nichts davon erfuhr und lediglich für Karin von Putthausen ein Fahndungsersuchen der Polizei an die Bevölkerung weitergegeben wurde. Darin wurde Karin als gemütskrank erklärt, als eine arme Kranke, die man sofort abliefern möchte. Anders war es mit Dr. Linden – hier entwickelte Brosius mit innerer Wonne eine Ausstreuung von Gerüchten, die ihn von einer neuen, hochbegabten Seite zeigte: als Diplomat. Er dementierte alle geflüsterten Ungeheuerlichkeiten mit dem Satz: »Doktor Linden, mein lieber Freund, war überarbeitet. Er kam in eine nervliche Krise.

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