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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Dunkelheit, als ein weiblicher Leutnant der Heilsarmee mit der Laute besinnliche Weisen an einem Mittagstisch des Asyls zupfte. »Rock hoch, Mädchen! Zupfen tun wir!«
    Und eine andere Stimme sagte: »Der Film ist Mist! Saufen, Schlafen, Fressen, Beten … das Wichtigste zeigen se nicht! Ist ja alles Tinnef! Jungs, wenn ich jetzt 'n Schluck hätte …«
    Später schliefen sie dann ein und erlebten das Ende des Lehrfilmes schnarchend. Prof. Brosius brach seine Versuche ab. Er war bitter enttäuscht.
    »Es hat keinen Zweck!« referierte er vor seinen Oberärzten nach diesem Fiasko. »Moralisch ist den Burschen nicht zu kommen! Wo nichts ist, kann man nichts suchen! Die Sache mit den Anonymen Alkoholikern war eine Eintagsfliege. Ein Zufall! Sie sollten jetzt mal kommen, bei dieser Belegung von Station drei!«
    Der Wunsch des Professors sollte schnell in Erfüllung gehen. Er erhielt wenig später einen Anruf, ob wieder einige Herren am Samstag kommen könnten. Brosius sagte sofort zu. In seiner Stimme schwang Schadenfreude.
    »Jetzt werden Sie den Zusammenbruch einer frommen Theorie erleben, meine Herren!« sagte er zu seinen Ärzten. »Ich werde reumütig zu meiner Ansicht zurückkehren: Strenge! Zucht wie in einer Kaserne! Die Kandare straff, meine Herren! Jedes wilde Pferd wird weich durch Sporen und Kandare! Geschweige denn ein Mensch! Ich sage es immer: Ein guter Psychiater sollte auch ein guter Reiter sein!«
    Die Oberärzte nickten und fügten im stillen ein dreimaliges »Hurra! Hurra! Hurra!« hinzu. Brosius hatte wieder seinen vaterländischen Tag. Dann wurde selbst die Medizin preußisch.
    So standen die Dinge, als Hubert Bollanz zum Besuch bei Peter Kaul vorgelassen wurde. Judo-Fritze wurde auf dem Flur von der Seite Bollanz' weggeholt … in Zimmer siebzig hatten sich zwei Trinker verprügelt. Aus Eifersucht um einen jungen Patienten, der mit seinen zwanzig Jahren und seinem aufgedunsenen Milchgesicht wie ein Engel wirkte. Er hatte den einen angelächelt und dem anderen über das Haar gestreichelt. Darauf waren die beiden Ausgezeichneten aufeinander losgegangen wie zwei Stiere.
    »Ist gleich erledigt!« sagte Judo-Fritze und spreizte seine riesigen Hände. »Gehen Sie schon mal zu Herrn Kaul! Ich komme nach! Die Brüder auf Nummer siebzig müssen abgekühlt werden …«
    Peter Kaul sah kurz auf, als die Tür klappte. Es hatte niemand angeklopft, also konnte es nur jemand vom Anstaltspersonal sein. Wie ein Schlag in den Nacken aber war es, als ihn eine Stimme ansprach.
    »Guten Tag, Peter …«
    Kaul fuhr herum. Im Zimmer stand Bollanz mit seiner Obsttüte und lächelte freundlich. Er tippte auf die obere Lage in der Tüte und nahm dann einen Apfel heraus, den er hoch hielt.
    »Cox Orange, Peter! Die schmecken sogar ein klein bißchen nach Wein. Ist dir doch recht, was?«
    Peter Kaul ließ das Buch, das er in den Schoß gelegt hatte, fallen. Eine Hitzewelle flutete über ihn hinweg, als stecke er in einem Schwitzkasten. Das Herz war plötzlich wie ein Bleiklumpen, der ihm die Luft abdrückte. Er riß den Mund auf und atmete ein paarmal schnell, tief und röchelnd.
    »Was … was willst du hier?« fragte Kaul, nachdem er fürchterliche Druck in der Brust nachgelassen hatte.
    »Dich nur besuchen, Kumpel.« Hubert Bollanz stellte die Obsttüte auf den Tisch. Dann rieb er sich die Hände, nickte Kaul zu und rückte an seinem Schlips. Er war nervös, man sah es, und er bemühte sich, unbefangen auszusehen. »Mal sehen, wie's dir geht und wann du wieder so weit bist, Piepen zu verdienen. Weißt du … die Raten für den Wagen, die drücken mich verdammt. Und ich glaube …«
    »Du bekommst keinen Pfennig mehr!« sagte Kaul dumpf.
    »Wie bitte?«
    »Keinen Pfennig!«
    Hubert Bollanz legte den Kopf etwas schief. »Hör mal«, sagte er betont, »doof kannste hier spielen, nicht bei mir! Ich habe gestern die arme Witwe Milbach getroffen. Jammern könnte die einen. Verhärmt, zehn Jahre älter, als sie ist, sieht sie aus. Und die Kinderchen … man könnte heulen. Hohle Augen, schwindsüchtige Farbe … und wenn sie einen ansehen, ist in ihren Augen die stumme Frage: Wo ist unser Vater …«
    Das war Bollanz' Tour mit der er zwei Jahre lang Peter Kaul weichgeknetet hatte. Immer war es ihm gelungen. Kaul war zusammengebrochen unter seiner Schuld, der Mörder Johann Milbachs zu sein. Und auch jetzt schien es so, als sänke Kaul unter den Worten zusammen … sein Kopf neigte sich, die Arme hingen herab, Hubert Bollanz

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