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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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er geantwortet, als Dr. Linden ihn danach fragte. »Sehen Sie, Doktor, wenn ich eine Wohnung habe, muß ich gemeldet sein, bezahle Steuern, werde überwacht, bin ein Bürger. Sie glauben nicht, wie es mir davor graust, ein Bürger zu sein! Das wahre Leben kennt nur der Vogelfreie. Was sind ethische Bindungen? Was kümmert uns die Moral? Die christlichen Zehn Gebote – laßt uns lachen, Freunde! Unser Leben ist frei von allen Konventionen.«
    Man sieht, René, der Kavalier, demonstrierte seine mittlere Reife im Gebrauch von Fremdwörtern. Dr. Linden hatte nur den Kopf geschüttelt.
    »Wo kämen wir hin, wenn wir alle so denken würden?« fragte er.
    Und René, entsetzt: »Das wäre schrecklich, Doktor! Dann würde ich sofort ein Bürger! Ich kann nur leben, wenn ich mich von anderen Menschen grundsätzlich unterscheide …«
    Das Fest war gut vorbereitet. Im großen Bunkersaal waren zwei Fässer Bier aufgestellt. Scharfe Alkoholika brachte jeder Gast für sich mit. Ein Problem waren die Weiber. Die Stammfrauen waren ausgelaugt und zottelig, stanken und klebten, die anderen verlangten Geld, und nicht zu knapp. So war immer ein Mangel an Frauen im Bunker, und man half sich, indem man die Frauen für Stunden verkaufte. Ganz schlimm wurde es, wenn die Polizei die Frauen kassierte und in Arbeitshäuser einwies … dann schwärmte man durch Köln und versuchte, aus anderen Bunkern und Asylen neue Frauen abzuwerben.
    Die große Sensation des Cäcilienbunkers wurde die Ankunft von Dr. Linden und Jutta, der Gräfin. Sie kamen mit einer Taxe, ließen diese vor dem Ruinengrundstück halten und gingen nur das letzte Stück zu Fuß. Noch hatte Dr. Linden Geld genug, nur Gast und nicht Insasse eines Bunkers zu sein. Ich werde auch nie dort hausen, dachte er, als er die glitschigen Betontreppen hinab in die Unterwelt stieg. Ich werde immer so viel verdienen, daß ich mir ein Zimmer leisten kann. Jawohl, ich bin ein Säufer … aber ein Säufer mit einem gewissen Anspruch auf Kultur. Ich habe mir Jutta, die Mumie, als Geliebte genommen, das ist genug Geruch aus der Gosse. Abstand, meine Herren, auch jetzt noch, wenn ich bitten darf. Ich werde euer Arzt sein, und wie ein Medizinmann im Urwald der heimliche Herrscher des Stammes ist, so werde ich euch beherrschen mit meinem Skalpell, mit meinen Spritzen, mit meinen Pillen und Tabletten, mit meinem ungebrochenen Geist!
    René, der Kavalier, stand unten an der Treppe zum Empfang seiner Gäste. Er trug einen modischen Einreiher und roch nach herbsüßem Kölnisch Wasser französischer Duftnote.
    »Seien Sie willkommen, Doktor!« sagte René, küßte der Gräfin die Hand und bot ihr seinen Arm. »Sie sind die letzten. Aber Sie sind auch der Höhepunkt. Siebenundvierzig Brüder warten auf Sie, Doktor.«
    Als sie eintraten, verstummte das Stimmengewirr. Rundherum an der feuchten Betonwand saßen auf Decken die Trinker. Ihre Flaschen hatten sie zwischen die Beine geklemmt, wie Musikinstrumente von ihren Musikern festgehalten werden, ehe sich der Taktstock des Dirigenten hebt.
    Dr. Linden sah sich um. Eine merkwürdige Ergriffenheit überfiel ihn, als er in die zerstörten Gesichter blickte, die flackernden oder stumpfen Augen sah, die ausgemergelten oder aufgedunsenen Körper, als er den typischen Geruch in die Nase bekam, der aus Alkohol, Schweiß und süßlicher Verwesung bestand.
    »Guten Abend«, sagte er mit plötzlich belegter Stimme.
    Niemand antwortete ihm.
    Eines der merkwürdigsten Gastmähler begann. Ein höllisches Fest.

9
    »Sie sind noch zu nüchtern, Doktor«, sagte René, der Kavalier. Die Gräfin hatte sich zu den anderen auf einen Haufen Lumpen gesetzt, ihre Augen flackerten, über die fahle Haut krochen hektische Flecken, die Hände, die ihre Kleidung ordneten, zitterten heftig. René blickte zu ihr hin, griff in die Tasche und warf ihr einen ledernen Kasten in den Schoß. »Mach's jetzt und störe nicht meinen Galaabend!« sagte er dabei. Er griff von einer Kiste eine Flasche Cognac und hielt sie Dr. Linden vor das Gesicht. »Trinken Sie, Doktor. Es war ein Fehler der Gräfin, Sie vorzuschlagen und sogar mitzubringen. Ihr Vorgänger war weiter als Sie … er lag von vierundzwanzig Stunden ungefähr achtzehn Stunden besoffen in der Ecke und praktizierte nur vier Stunden. Bei Ihnen ist es noch umgekehrt … Sie scheinen mir nur vier Stunden betrunken zu sein! Mit solchen Lebensgewohnheiten werden Sie es schwer haben, ernstgenommen zu werden. Wir haben ein fein

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