Professionelle Intelligenz - worauf es morgen ankommt

Unternehmen sollen – so wird dort empfohlen – Keystones in Unternehmenssystemen werden. Diese Sicht will ich hier kurz darstellen und dann auf Professionals statt auf Unternehmen anwenden. Erlauben Sie mir also eine kurze Abschweifung in die Welt der Unternehmen.
    Keystone-Unternehmen und Nischen-Player in Ökosystemen der digitalen Zukunft
    Unternehmen sind keine monolithischen Felsen mehr. Sie gleichen selbst meist schon einem Netzwerk. Größere Unternehmer haben Hunderte bis Tausende Lieferanten, Zulieferer und Partnerfirmen. Sie beschäftigen Teilzeitkräfte von Leiharbeitsfirmen. Sie haben viele Leistungen des Unternehmens outgesourct, zum Teil nach Asien verlagert. Stellen Sie sich vor, wir würden in einem solchen Geflecht von Firmen und Menschen etwas anders machen wollen, etwas reformieren, erfinden oder ganz neu entwickeln. Dann müssten wir ja alle Lieferanten einbeziehen, sie überzeugen und zum Mitmachen bewegen! Wir können nun nicht mehr einfach nur befehlen, so wie es in einem einzigen großen Unternehmen noch hätte angehen können.
    Die neue Ökonomie ist durch die starke Arbeitsteilung der Unternehmen ungeheuer vielschichtig geworden. Die größte Kunst ist, in diesem Geflecht etwas zu bewegen.
    Das Erzielen einer solchen Wirkung ist das zentrale Thema des Buches The Keystone Advantage . Die Autoren betrachten Unternehmensnetzwerke als »Ökosysteme« von Firmen.
    Der Einfluss dieser Sichtweise war stark in den Diskussionen über Unternehmenslandschaften zu spüren. Eine ganze Zeit lang wurde das Wort Ökosystem oder neudeutsch Ecosystem schrecklich inflationär benutzt. »Es nervte.« Was mich besonders betroffen machte, war die Tatsache, dass die Vorstellung des »Ökosystems« widerstandlos in alle Köpfe schwappte, wo es doch in dem Buch eigentlich um die Keystones in solchen Systemen ging. Man hörte also in Diskussionen das Wort »Ökosystem« überall und den Begriff »Keystone« fast nie.
    Zur Klärung: Iansiti/Levien gehen im Buch auf Rollen ein, die einzelne Unternehmen in einem Netzwerk oder eben in einem Ökosystem spielen:
    • Keystones
    • Nischen-Player
    • Landlords
    • Dominators
    Dominators sind die alten Großsysteme, die alles selbst in sich regeln und möglichst groß und mächtig werden. Die IBM oder die Autokonzerne vor einigen Jahrzehnten sind gute Beispiele. Sie bedienten fast monopolartig ganze Wirtschaftsbereiche.
    Landlords sind Unternehmen, die wichtige Schlüsselstellungen in der Ökonomie besetzen und die dortige Vormachtstellung zu ihrem vollen Gewinn ausreizen. Einfach und drastisch erklärt: Raubritter spannen eine Kette über einen Fluss und verlangen Zoll von durchfahrenden Schiffen. Ein Beispiel: Es gibt oftmals Produkte oder Erfindungen, an denen keiner vorbeikommt. Das Unternehmen Enron etwa besaß die Stromnetze in Kalifornien und erhöhte dramatisch die Strompreise, ohne dass sich die Kunden wehren konnten. Gleichzeitig fiel oft die Stromversorgung aus. Ein daraufhin durch Präsident Clinton angeordneter Rückzug von Enron wurde von Präsident Bush sofort rückgängig gemacht (2001). Im selben Jahr kam es dann zu den Enron-Skandalen.
    Keystones: Keystone (wörtlich »Schlüsselstein«) ist übersetzt der Schlussstein im Scheitel eines Gewölbes, der sozusagen das Ganze zusammenhält. Keystone bezeichnet in einem Netzwerk eine Schlüsselposition. Im Tierreich bezeichnet man Tiere dann als »Keystone-Species«, wenn sie über ihre eigene Tierart hinaus einen großen Einfluss auf das ganze Tier- und Pflanzenreich haben. Biber bauen zum Beispiel Dämme und beeinflussen damit die ganze ökologische Umgebung. Elefanten fressen von Bäumen und »produzieren« eine Savanne, wo sonst Wald wachsen würde. Bären verteilen geschätzte fünfzig Prozent der gefressenen Lachse als Dünger auf das Land und begünstigen die Fauna.
    Keystones in Unternehmensökosystemen sind demnach Firmen, die über ihre eigene Arbeit hinaus günstige Umweltfaktoren schaffen, die andere Firmen befruchten. Große IT-Firmen wie IBM oder Microsoft beschäftigen im Umfeld Abertausende von Entwicklern. Google und Apple bieten ungeheuer viel Arbeit für Entwickler von sogenannten Apps, also von Software, die über die App Stores gekauft werden kann. eBay bietet eine Plattform für Shopbetreiber. Amazon bietet die Möglichkeit für fast jeden, dort als Privatperson oder Unternehmen Waren zu verkaufen. Keystones sind um die Gesundheit des ganzen Ökosystems besorgt und kümmern sich darum,