Professionelle Intelligenz - worauf es morgen ankommt
vorgeht«, die »nur oder allenfalls Zahlen im Kopf haben«, die »den Boden unter den Füßen verloren haben«. Die Schimpfkanonade endet meist mit: »Und so etwas hab ich als Chef.«
Beide Seiten sind meist sehr überzeugt von ihrer Art zu arbeiten! »Keine Ahnung in der Sache« steht gegen den Vorwurf »keine Ahnung vom Rest der Welt«, »Idiot« gegen »Fachidiot«.
Das war früher anders, als man eher den fachlich-technisch Besten zum Chef beförderte, nicht einen jungen Harvard-Absolventen mit konkretem Biss und abstrakter MBA-Methodenkompetenz. Die harte Unterscheidung zwischen Fachexperten und Führungskräften, also von Inhalt und Form ist erst neueren Datums. Über den Grund kann ich nur spekulieren: Fachexperten sträuben sich in aller Regel ganz schrecklich gegen die Industrialisierung ihrer Arbeit, die sie als Trivialisierung unter dramatischen Qualitätseinbußen empfinden.
Die Trennung in Mitarbeiter und Manager bewährt sich in Commodity-Arbeitsumgebungen gut. Wenn wir aber in die Exzellenzgesellschaft oder die Wissensgesellschaft aufbrechen, müssen diese beiden Berufsbildvorstellungen wieder besser integriert werden. Führungspersönlichkeiten sollten jetzt Keystone-Rollen einnehmen können, Experten nicht nur Experten sein, sondern sich durch ein T-Shape auszeichnen.
Den Begriff des T-Shape kenne ich aus dem Buch The Ten Faces of Innovation: IDEO’s Strategies for Defeating the Devil’s Advocate and Driving Creativity Throughout Your Organization von Thomas Kelley und Jonathan Littman, Crown Business (2005).
In meiner Interpretation möchte ich den T-Shape-Professional an die Vorstellung eines Nischen-Players in einem Ökosystem heranrücken. Er ist exzellent im Fach, kennt aber das Umfeld, in dem er arbeitet, so gut und breit, dass er selbst den Erfolg seiner Arbeit sicherstellen kann.
Ein bekanntes Beispiel zur Illustration: Erfinder werden meist leider, leider nicht zu Innovatoren, weil sie zwar fachlich ihr Produkt kennen, aber nicht das Umfeld im Unternehmen, bei den Kunden, im Markt. Sie scheitern an zu engem Blick und an der Unterschätzung vom Verkaufen, Bekanntmachen, Begeistern. Wenn sie »keinen T-Shape« haben, bleiben sie Erfinder und sind verbittert, dass es ihnen niemand »abkaufen« will. Sie merken das endgültige Scheitern meist daran, dass sie keine Mittel zur Produktreifeentwicklung bekommen. Dann empören sie sich über den mangelnden Mut des Managements oder die geizigen innovationsfeindlichen Kreditgeber. Die aber wollen einen T-Shape-Unternehmer sehen, keinen »Fachidioten«. Weil die Letzteren aber so empört sind, hören wir aus der Presse immer nur von Innovationsfeindlichkeit und absurden Kredithürden. In Wirklichkeit mangelt es an T-Shape-Professionalität.
Auch hier steht das »Zum-Klappen-Kommen« immer weit vorne, weit vor »technologischer Brillanz«. Gute T-Shape-Spezialisten können es zum Keystone bringen, wenn immer mehr »zum Gelingen gebracht ist« und sich ihre Reichweite im Ökosystem vergrößert. Klappen gehört zum Handwerk!
Coopetition in einer interdependenten Ökonomie
Viele sehen es als Bedrohung, in einem globalen Netz zu arbeiten, weil die Zahl der Wettbewerber dramatisch ansteigt. Für mittelmäßige Menschen stimmt das, sie verlieren ihre lokale Nische, wie hier schon diskutiert wurde. Gute Professionals haben natürlich große Chancen im Netz. Sie haben ebenfalls mehr Wettbewerber, aber eben auch ein großes Netzwerk von Menschen und Unternehmen, mit denen man nun zusammenarbeiten kann. Ich möchte das mit dem Begriff der Coopetition näher erläutern.
Die große digitale Vernetztheit der Unternehmensökosysteme führt dazu, dass wir alle im Wettbewerb mit allen stehen. Diese »simple Erkenntnis« wird seit Längerem auf uns eingepeitscht. »Jeder kämpft mit jedem! Nur der Schnellste gewinnt! Der Langsame wird gefressen! Keiner ist mehr sicher! Es ist Krieg! Wer nicht wächst, stirbt sofort!«
Das ist die Sprache von Scharfmachern und Angsthasen. Es ist die Sprache einer »Economy of War«, einer Wirtschaftsauffassung, die sich im Krieg mit Konkurrenten sieht und entsprechend hart agiert.
In den Begriffen von Iansiti/Levien:
Dominators und Landlords denken und agieren in einer »Economy of War«.
Keystones und Nischen-Player in Ökosystemen denken und agieren in einer »Economy of Peace«.
Wir hatten noch vor wenigen Jahren Kalten Krieg zwischen West und Ost. Gegeneinander hermetisch abgeschlossene Staaten standen sich
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