Professionelle Intelligenz - worauf es morgen ankommt
Studien erklärt wurde. Einen Tipp gibt er nicht. Er breitet nur Wissen aus (das Sie durch Surfen schon haben). Er arbeitet wie die Putzfrau eine Checkliste ab. Versicherungsagenten müssen heute per Gesetz alles protokollieren, wozu sie geraten haben. Sie beraten also, was jede Nachprüfung übersteht, sie sagen also nur das, was im Internet auch steht. Die Dokumentationswut bei ärztlichen Behandlungen wirkt genauso. Unternehmensberater kommen mit Checklisten und schauen im Computer nach, was der empfiehlt …
Was geht da vor? Alles wird in Pflichtenheften und »Service-Level-Agreements« festgelegt. Dort steht haarklein, was getan werden muss, Schritt für Schritt. Genau das wird abgearbeitet. »Haus blitzsauber«, »Auto heil«, »Patient gesund«, »Vermögen gut angelegt«, »schmackhaftes Hamburger-Menu XXL« entsteht durch Abhaken oder wie beim Computer durch die peinlich genaue Ausführung eines Arbeitsprogramms. Die Ausführung der Arbeit wird programmiert, das Endergebnis des Programms ist die vereinbarte Leistung.
Mir ist es einmal passiert, dass mein Auto nicht mehr fuhr, aber die Elektronik des Autos beim Abfragen sagte, dass alles in Ordnung sei. Da meinte der »Mechaniker«, der nur durch den Bordcomputer und seine Inspektionsprogramme gesteuert war: »Formal gesehen ist das Auto jetzt in Ordnung. Es fährt zwar nicht, aber wir haben alles getan, was nach Vorschrift abgearbeitet werden muss – außerdem sagt das Auto selbst, dass es okay ist.« Dasselbe sagt Ihr Investment-Experte, nachdem Ihre gekauften Aktien in den Keller gerauscht sind. »Ich habe Sie pflichtgemäß darüber belehrt, dass Aktien auch fallen können. Sie wussten das.«
Die auf diese Weise programmierten Berufe sind damit »kritikbefreit«. Es wird nur garantiert, dass das Programm durchgeführt wird, nicht, dass das Ergebnis gut ist. Sie kaufen als Kunde nur die Programmausführung, nicht das Resultat.
Viele Berufe, bei denen es oft Kritik an »schwarzen Schafen« gibt, reagieren auf diese »Störfälle« mit einer sogenannten »Professionalisierung«.
Berufsverbände legen bei Rechtsanwälten, Ärzten, Steuerberatern, Personalberatern etc. fest, was ein Angehöriger des Berufsstandes können muss (durch Prüfungen dokumentiert) und welche Mindeststandards seine Leistungen erfüllen müssen. Der Kunde kann dann juristisch seine Rechte geltend machen, wenn die Leistungen eines Experten die festgelegten Normen nicht erfüllen. Heute gibt es immer stärkere Bemühungen, die Dienstleistungsberufe zu professionalisieren. Lehrer, Professoren, Arbeitsvermittler, Karriereberater oder Immobilienmakler bekommen Normen, ethische Richtlinien und vor allem dies: Kontrollen, die natürlich wieder nach vielen Checklisten eine Art Programm darstellen.
Durch die Normen und Kontrollen, die Service- und Qualitätsdefinitionen wird im Prinzip aufgeschrieben, was zu tun ist. Dieses Vorschriftensystem ist inhaltlich ein ausführbares Programm, das nicht zu viel Expertise braucht, weil es ja auf Mindeststandards beruht. Je niedriger diese Standards sind und je detaillierter das Programm ist, umso mehr wird die Erfüllung der Vorschriften zur Commodity.
Der Durchführende muss nur noch so weit angelernt oder ausgebildet werden, dass er das Programm ausführt. Mehr ist nicht nötig, weil ja das Ergebnis nicht explizit gefordert wird, sondern nur die Ausführung. Ein Lehrer nimmt also den Stoff nach Lehrplan durch. Das ist seine Pflicht. Er wird aber nicht danach beurteilt, ob er seine Schüler so gut vorangebracht hat wie Mrs. A.
Die eigentliche Intelligenz ist dann in den Programmen, nicht in denen, die sie ausführen.
Solche Entwicklungen habe ich ja am Anfang des Buches schon beschrieben. Ich wiederhole diese Gesichtspunkte hier noch einmal mit dem Wort »Programm«, um Ihnen dies nun deutlich zu machen: In dem Programm oder im Lehrplan steht nicht, dass zum Beispiel der Lehrer oder Arzt Wärme, Humor, Gelassenheit, Ruhe, Charakter etc. zeigen soll.
Diese Elemente, die bei Premium-Arbeiten eine sehr wichtige Rolle spielen, wenn Sie zum Beispiel einen Star-Arzt oder eine Superschule suchen – diese Elemente sind nie Teil der Professionalisierung oder der Standardisierung. Im Programm steht allenfalls: »Jeder Kunde ist beim Eintreten innerhalb von drei Sekunden in einer landesüblichen Form zu grüßen. Mitarbeiter, die den Lehrgangabschluss ›Höheres Grüßen‹ absolviert haben, achten auf eine Harmonie mit der Grußformel, die der Kunde
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