Professionelle Intelligenz - worauf es morgen ankommt
Geschäftsprozesse.
• Energie wird durch Druck und Zwang künstlich erzeugt (»Pflicht«).
• Empathie wird durch Etikette und korrekte Floskeln vorgeführt.
• Kreativität wird zweimal jährlich für 15 Minuten in einem Brainstorming rituell gefeiert.
• Prinzipien und Glaubenssätze werden – selbst wenn es welche gibt – immer nur appellativ beschworen, aber bedenkenlos den täglichen Sachzwängen geopfert.
• Intuition und Gefühle werden nicht positiv verwendet, sondern als »subjektiv« abgestempelt und verdrängt.
• Emotionen müssen unterdrückt werden (»keine Emotionen bitte!«), es besteht die Pflicht konsequenter Impulskontrolle.
• Mitarbeiter bekommen detaillierte Arbeitsvorschriften in »Jobrollenprofilen«, die nicht auf die spezifischen Talente der Mitarbeiter eingehen.
Wir sorgen dafür, dass alle Menschen auf diese Weise durchschnittlich höflich, geordnet und konfliktvermeidend ihre vorgeschriebenen Aufgaben abarbeiten. Der normale Alltag läuft dann einigermaßen störungsfrei ab.
Ich möchte Beispiele einflechten. Ich durfte einmal für eine halbe Stunde im Flugsimulator der Boeing 777 das Fliegen erlernen. Ich war tief erstaunt, dass man das Flugzeug fast so einfach wie ein Auto bedient. Nach fünf Minuten Einweisung flog ich los. Wundervoll. Ich konnte den Riesenvogel tatsächlich ohne Probleme in den Himmel starten! Ich drehte eine Runde und sollte landen. Das war ohne Gefühl ganz ungewohnt, ich crashte die 777 am Boden. Macht ja nichts. Neuer Versuch. Das Starten klappte prima, die Landung ging jetzt ganz gut, ich setzte aber hart auf. »Reifenverbrauch!«, lächelte der Trainer und sagte: »Jetzt können Sie es im einfachen Fall.« Ich bat ihn, einmal Sturmböen und Hagel oder Gewitter einzustellen, ich würde gern einen dritten Versuch erleben. Also los. Ich versuchte jetzt dasselbe im Inferno. Ich sah kaum etwas, ich wurde total durchgeschüttelt, das Flugzeug schwankte, ich überdrehte alle Flugwerte, überall blinkten Warnleuchten (»Flügel weichen mehr als 30 Grad von der Waagerechten ab!!«), weil das Flugzeug außer Balance war. Sie müssen sich die Warnleuchten wie Zuschauer bei einem Kunststück vorstellen, die alle gleichzeitig brüllen, dass etwas furchtbar schiefläuft. Ich war in Schweiß gebadet, verlor vollkommen den Überblick und gab auf. Der Flugsimulator hatte mich an ein physisches und nervliches Ende gebracht. Da sprach der Trainer diese »Worte zum Sonntag«: »Fliegen bei schönstem Wetter ist sehr leicht, fast wie Autofahren in der Sonne. Sie lernen es in 10 Minuten. In diesen 10 Minuten machen Sie den größten Lernfortschritt beim Fliegen. Damit Sie aber Kapitän werden, müssen Sie nun viele Jahre lang üben, damit Sie unter allen Bedingungen professionell fliegen.«
Was heißt das für den Umgang mit unseren Gefühlen, Intuitionen, Energien oder Talenten? Wir bleiben meist auf dem Niveau eines Wochenendlehrgangs. Wir wissen, was bei schönem Wetter zu tun ist. Wissen Sie, wie lange man braucht, um Kunden wirklich empathisch zu bedienen? Die Mitarbeiter im Supermarkt sagen zu jedem Kunden an der Kasse »Guten Tag« und speziell beim Kaufland nach dem Kassieren noch zusätzlich: »War alles in Ordnung?« Das ist ein eisern andressiertes Regelwerk und wird durch Testkäufer überprüft. Es ist genau wie das Fliegen bei schönem Wetter in weniger als einer halben Stunde erlernbar. Das andressierte Grüßen ist aber von Empathie genauso weit entfernt wie ein paar absolvierte Flugsimulatorminuten vom Bestehen der Kapitänsprüfung.
Heute erleben wir die totale Industrialisierung der Arbeit. Jeder Beruf wird durchleuchtet, wie er effizienter gestaltet werden kann. Für diesen Veränderungsprozess wird genau beschrieben, was im Beruf geleistet werden soll. Früher sagte man zur »Putzfrau«: »Machen Sie sauber.« Heute gibt es detaillierte Vorschriften für Cleaning-Manager, wie oft wöchentlich was genau wann wie sorgfältig gewischt wird. Früher ging man zum Automechaniker und bat: »Schau mein Auto durch, ob es okay ist.« Heute gibt es Checklisten vom Werkstattmeister. Man hat Anspruch auf genau diesen Check, nicht darauf, dass das Auto sauber ist oder gut in Schuss gehalten wird. Wenn Sie sich früher bei der Bank über Aktien beraten ließen, erhofften Sie vom Bankberater einen heißen Tipp, der natürlich auch in einen Reinfall münden konnte. Heute erklärt Ihnen ein Investment-Experte, was objektiv im Handelsblatt oder in hausinternen
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