Professionelle Intelligenz - worauf es morgen ankommt
beschäftigt. Sie sind die »atmende Reserve«, wie man unterkühlt heute so sagt. Es zeichnen sich schon solche Tendenzen ab: Commodity-Mitarbeiter werden sich ständig Teiljobs suchen müssen und vielleicht mehrere Berufe haben, damit sie nicht saisonale Probleme haben. Auf der anderen Seite buhlen die Unternehmen um die Premium-Professionals, die das Rückgrat des Unternehmens bilden sollen. Die Commodity-Mitarbeiter werden im Preis gedrückt, die Premium-Professionals werden die Preise nach oben treiben, wie es ja schon seit Jahren die Stars, die Sportler und die Topmanager zu tun gewohnt sind. Die allerbesten Professionals werden möglicherweise gar keine Daueranstellung wollen – sie nehmen nur kurze Engagements an und lassen sich in Gold aufwiegen.
Das Aufkommen des Crowdsourcings im großen Stil wird unsere Arbeitswelt durcheinanderwirbeln. Wir werden ganz ungekannte Ausmaße von Selbstverantwortung übernehmen und uns ständig bemühen müssen, unsere professionelle Bildung auszubauen. Wir werden genau in der mentalen Situation der Automobilzulieferfirmen arbeiten, nur eben als Personen.
Ich habe im vorigen Abschnitt über den inneren Widerwillen nachgedacht, den wir gegen die unbeständige, sich wandelnde Welt empfinden. Wir suchen nach Sicherheit – aber die geht doch jetzt mehr und mehr dahin! Wir haben nun schon dreißig Jahre zugesehen, wie die kleinen Firmen um das Überleben kämpfen, so sagen wir, die wir Sicherheit wollen. Solche Entwicklungen sehen wir nun auf Personenebene auf uns selbst – ganz allein auf uns selbst – zukommen. Jeder bekommt nun den Job, den er sich täglich verdient.
Unvorbereitung durch unser Bildungssystem
Das Bildungssystem und die Bezahlungssysteme suggerieren immer noch, dass ein guter Abschluss eine sichere Arbeitsstelle garantiert.
Das ist bis heute auch noch fast so. Die Arbeitgeber bezahlen für einen höheren Abschluss mehr Geld und stellen lieber ein. Die Laufbahnen im öffentlichen Dienst stehen auf dem festen Fundament der Bildungsabschlüsse. Je nach letztem Bildungsabschluss werden Neueingestellte in den einfachen, mittleren, gehobenen oder höheren Dienst (bei den Beamten) eingestuft. Die spätere Bezahlung richtet sich ganz überwiegend nach dieser Ersteinstufung. Sie ist damit meistens für das gesamte Arbeitsleben im öffentlichen Dienst bestimmend. Viele Unternehmen haben ähnliche Stufenordnungen, die sich ebenfalls am letzten Abschluss orientieren.
Dadurch entsteht eine gewisse »Garantie«. Wir denken an »Uni-Studium = höherer Dienst« etc.
Auf der anderen Seite müssen sich frisch Diplomierte heute zunächst um Praktikumsstellen bemühen, um möglicherweise später in einem Unternehmen fest Fuß zu fassen. Es wird von einer »Generation Praktikum« gesprochen, die von Zeitvertrag zu Zeitvertrag hüpft und auf eine Festanstellung hofft. Die Unternehmen stellen aber erst wirklich Professionelle ein. Überhaupt nehmen Zeitarbeitsverträge überhand – es ist die Vorstufe des Crowdsourcings.
Was bedeutet ein Bildungsabschluss in dieser neuen Welt? Es wird nicht mehr geschaut, ob der Stellenbewerber eine Urkunde mitbringt, sondern professionelle Bildung. Wenn der Bewerber nicht nur genug Abiturpunkte für Mathe, Deutsch und Englisch hat, sondern wirklich gut darin ist, dann mag noch alles gut ausgehen. Oft aber bescheinigen Urkunden etwas, was nichts mit professioneller Intelligenz zu tun hat. Ein Diplom an sich wird nicht mehr akzeptiert. Die Arbeitgeber suchen nach T-Shape-Professionals, die Keystone-Potenzial haben.
Das Bildungssystem suggeriert aber noch die Einstellungsgarantie nach dem Abschluss. Das hat zur Konsequenz, dass sich jeder Schüler oder Student nur auf seinen Abschluss konzentrieren muss. Er braucht nun keineswegs über sein Leben nach dem Abschluss nachzudenken. Die Fragen »Wer bin ich? Was werde ich? Was wird aus mir?« werden noch heute vermeintlich durch das Zeugnis beantwortet. »Ich bin Chemie-Doktor mit Summa cum laude.« Draußen ist das aber keine Garantie mehr, sondern dort wartet eine Fülle von Herausforderungen! Wehe dem, der nur für die Schule gelernt hat! Wohl dem, der sich um seine Professionalität kümmerte! Und wohl dem, der jemanden hatte, der ihm helfen konnte.
Bitte sehen Sie den Ernst der Lage: Wenn das Bildungssystem nicht zur Professionalität erzieht, dann muss ein junger Mensch heute Glück mit den Eltern haben. Wer Unpros als Eltern hat, ist dann mehr oder weniger verloren. DAS ist die Ursache
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