Professionelle Intelligenz - worauf es morgen ankommt
oder so ist. Dabei geht es den Antagonisten anscheinend um die jeweilige »Wahrheit«, für deren Evidenz jede Seite endlos viele Beispiele vorbringen kann. Es gibt ja die ganze Skala der Menschen, von ganz Verkommenen, Süchtigen und Neurotischen bis hin zu Heiligen.
Was ist der Mensch? Was ist er wirklich? X oder Y?
Bei diesem Streit steht unterschwellig die Annahme im Raum, dass die Antwort der Frage in der Biologie des Menschen liegt und nicht etwa in der Erziehung. Können wir den Menschen nicht einfach zum Professional erziehen? Das wird nicht immer gelingen, aber es sollte eine Maxime unseres Handelns werden.
Wir sollten uns schlicht und einfach den professionellen Menschen des digitalen Zeitalters als Maß für alle vorstellen und ein Gesamtbildungssystem schaffen, das möglichst viele Menschen dahin führt. Ich fordere den professionellen Menschen als Norm!
Ich schlage also eine Theorie P vor.
Theorie P : Der Mensch möchte wirksam sein und etwas vollbringen, auf das er stolz sein kann. Er arbeitet gern in Gemeinschaft mit anderen und trägt fruchtbar zum Ganzen bei. Er fühlt sich als Quelle positiver Kraft, die er für das Ganze, andere und sich selbst einsetzt. Er übernimmt die Verantwortung für sein Handeln und strebt professionelle Ergebnisse seiner Arbeit an. Er bemüht sich um die Professionalität anderer und bringt deren Begabungen zum Erblühen. Er weitet seine eigenen Horizonte und Fähigkeiten stetig aus. Er ist ein immer größeres Zentrum des Gelingens in einer Welt allgemeiner Prosperität.
Noch einmal: Ich stelle hier nicht fest, dass Menschen von Natur aus professionell sind oder alle im Prinzip so sein können. Ich möchte nur sagen, wie wir Menschen konkret haben wollen und möchte eine sinnvolles Ideal vorschlagen, das nach Lage der Dinge »herausfordernd, aber realistisch« ist.
Nach der Formulierung einer solchen Idealvorstellung müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, die Menschen zu P-Menschen werden zu lassen.
Wir brauchen Menschen, die wissen, dass sie nicht nur eine Vernunft haben, um gut zu sein, sondern insgesamt auch ein Herz, eine Intuition, einen Instinkt, ein Gefühl für Sinn, einen kreativen Kopf und einen kraftvollen Körper mit einer stabilen Psyche haben. Wir müssen die Digital Natives zu Digital Professionals ausbilden, die in möglichst vielen Teilintelligenzen zu einem guten Bildungs- und Fähigkeitsgrad kommen.
Die Aufklärung hat die Vernunft freigesetzt – nun müssen wir den kompletten Menschen mit allen seinen Stärken entfesseln. Bildung ist etwas Aktives – wir bilden einen neuen Menschen! Wir entwickeln ihn! Zu einem T-Shape-Experten oder einer Keystone-Persönlichkeit. Zu einem Menschen zum Beitragen, zum Gelingen, zum fruchtbaren Leben.
Eine Theorie P könnte Leitplanke sein. Eine solche brauchen wir heute unbedingt, weil wir unsere normalen Leitplanken gerade verlieren. Wir sind nicht mehr Bauern oder Arbeiter, auch leider nicht mehr so sehr Christen. Wir steuern ohne so etwas wie eine Theorie P auf ein Vakuum zu. Diese Problematik möchte ich Ihnen nun verdeutlichen.
Politische Wende zur digitalen Mittelschicht
Verschiebungen der »Klassen«
Bei IBM sagen wir: »Power is changing hands.« Die ersten IT-Chefs, die bei uns Kunden sind, sind schon Digital Natives. »Expertise is changing heads.« Wir Älteren diskutieren noch, wie wir die Zukunft sehen möchten, da kommen schon die Neuen und gestalten sie. Die professionellen Digital Natives werden eine neue Mittelschicht bilden.
Ich hole ein bisschen aus. Die politisch Konservativen stützen sich in Deutschland auf die Bauern, die Selbstständigen, »die Wirtschaft«, die traditionellen Christen, die Angestellten und Beamten. Die Sozialdemokraten hatten ihre Wurzeln im Umfeld der Arbeiter und der sozial Benachteiligten. Die eine »Klasse« freut sich an den Besitztümern und Errungenschaften, die andere kümmert sich sorgenvoll um die gerechte Verteilung der Güter. Der einen Klasse stehen die kapitalistischen Ideologien nahe (»Leistung muss sich lohnen!«), die andere trägt sich mit sozialistischen Ideen der Solidarität. Karl Marx sah eine bessere Zeit, wenn denn erst der Gegensatz von körperlicher und geistiger Arbeit in genossenschaftlicher Arbeit aufgehoben wäre: »Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!«
Die politischen Parteien reflektieren diese Spaltung einer Gesellschaft in einen etablierten Teil, der seinen Besitzstand verteidigt und stetig
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