Professionelle Intelligenz - worauf es morgen ankommt
über die Katalogregeln, Bezahlmodelle, Bezahltechnologien und Urheberrechte auch für künftige geistige Leistungen einigen müssen. Aber ich denke, man könnte ein solches Projekt einfach mit vielen Tausend Digital Natives in Open-Source-Form beginnen, so wie das Betriebssystem Linux und die Wikipedia entstanden sind. Ich plädiere gerade dafür – tja, mal sehen, ob ich es noch erlebe. Ich weiß, was Sie jetzt sagen: »Das gibt es schon.« Ich weiß, dass Google die Bücher scannt, dass das Projekt Gutenberg viele Buchtexte im Internet bereitstellt und einige Stifter und Wissenschaftler schon mit dem Sammeln von Lehrvideos begonnen haben. Das sind gute Anfänge, aber es sind einzelne Aktivitäten. Es ist noch keine durchgängige Infrastruktur erkennbar – und die brauchen wir! Nicht weniger als eine neue Infrastruktur.
Leitmedien- und Leitstilwechsel
Stellen Sie sich solche Internetportale doch schon einmal vor! Alles da! Alles drin! Alle Teilintelligenzen können dort Futter finden, sich zu einer entsprechenden Teilbildung zu entwickeln.
Wie werden die Lehrer insgesamt als heute physisch überalterter Berufsstand auf die neuen Entwicklungen reagieren?
»Die Reformen dauern noch Jahre. Da bin ich pensioniert. Das muss ich mir nicht mehr antun.« Ich selbst stehe ja auch nahe der Pensionsgrenze, aber ich lebe doch noch vierzig Jahre? Oder zählt das Leben nur noch bis zur Rente? Wollen wir es uns einfach machen und das Feld eifernd und mürrisch meuternd den Digital Natives überlassen, von denen die ersten jetzt Junglehrer oder wissenschaftlicher Assistent werden? Wer übernimmt denn nun die Verantwortung für den notwendigen Wechsel in eine professionelle Zukunft? Wer ist professionell genug, dass er sie übernehmen könnte?
Wer bildet nun unsere anderen Intelligenzen aus, wenn sie doch noch kaum jemand hat?
Wer bildet das Kreative, Sinnvolle, Vitale, Emotionale und den Sinn für Attraktivität und Schönheit in uns aus? Wer führt uns zur Professionalität?
Digital Immigrants und Analog Exiles erziehen Digital Natives – wie geht das?
Die Lernstile der Digital Natives sind vielleicht nicht viel anders als in unseren alten Generationen, es wird immer noch dieselbe Prozentzahl unter ihnen geben, die am liebsten durch Lesen und Schreiben lernen. Die aber, die am liebsten hören und sehen oder praktisch anpacken, müssen sich nicht mehr auf die hölzern nüchterne Schulbank zwingen lassen. Sie haben jetzt im Vergleich zu früher ein Eldorado an neuen Möglichkeiten. Es gibt ja nun Bilder und Videos statt der Bücher und Mitschriften!
Der typische »neue« Digital Native surft in mehreren Quellen auf gut Glück und findet sich langsam in ein neues Thema hinein. So mache ich das auch, Alter hin oder her. »Wir« lesen nicht mehr in wenigen anerkannten Quellen, die uns eine Autorität empfiehlt, schon gar nicht übernehmen wir nach dem Lesen eine Lehrmeinung einfach als eigene. Wir surfen doch nach vielen Lehrmeinungen und bilden uns dann eine eigene!
»Wir« arbeiten an vielen Aufgaben parallel. Konsequentes Schritt-für-Schritt-Abhaken ist ätzend. Wir sehen lieber Bilder und Videos, lesen kaum noch Bücher ganz durch. Wir surfen nicht nur im Internet, sondern wir fragen in unserem Netzwerk. »Hat jemand eine Idee?« Wir nehmen zurückkommende Anregungen auf und verfolgen unser Interesse in wechselnden Medien weiter. Das geht viel schneller als das Lesen anerkannter Texte! »Wir« lernen das, was gerade anliegt – ganz schnell. Wir lernen nicht für ein späteres Leben oder für die Halde. Wir hassen das. Wir vergessen doch eh alles! Können Sie noch Latein? Es ist wunderbar so, weil das Lernen für einen jetzigen Zweck sofort ein Erfolgsgefühl gibt. Wir wenden gleich an, was wir lernen. Das macht Freude! Wir lernen auf diese Weise das wirklich Relevante. Alles, was wir lernen, wird gleich angewendet und verwandelt sich sofort in Erfahrung. Wir arbeiten zusammen und netzwerken mit Freunden. Wir sind nicht mehr außerhalb des Klassenzimmers oder des Hörsaals mit unseren Aufgaben allein.
Klassische Lehrer werden nach und nach alle Autorität verlieren. Dieses Thema habe ich schon vor vielen Jahren zu diskutieren begonnen. Ich erklärte am Anfang des Buches, dass Lehrer kaum noch Wissensautorität oder gar einen Wissensvorsprung haben. Nun aber werden auch die Lehrmethoden, Lehrformen und Lehrstile infrage gestellt.
Erziehungsstilwechsel
Die Wirtschaft fordert professionelle Mitarbeiter, die schon gut
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