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Professor Bingos Schnupfpulver

Professor Bingos Schnupfpulver

Titel: Professor Bingos Schnupfpulver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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fiel.«
    »Bis jetzt«, sagte Rehder.
    »Bis jetzt, ja. Aber jemand hat den Schuß gehört, und jemand hat ihn gemeldet. Keiner der Nachbarn hat ihn gehört.«
    »Behaupten die«, warf Rehder ein.
    »Aber warum sollten sie lügen, nachdem wir die Leichen gefunden haben? Es ist verständlich, daß sie es vorher getan haben, um nicht in die Sache hineingezogen zu werden. Man könnte sagen, keiner, der den Schuß hörte, wollte als Zeuge bei der Verhandlung oder bei der Voruntersuchung auftreten. Es gibt Leute, die das nicht wollen. Aber sie werden sehr viel mehr belästigt werden, wenn sie nichts gehört haben – oder glauben, nichts gehört zu haben –, als wenn sie etwas gehört hätten. Unsere Leute werden ihnen keine Ruhe lassen bei dem Versuch, ihre Erinnerung aufzufrischen, und so lange bohren, bis ihnen einfällt, was sie glauben vergessen zu haben. Ich kenne viele Fälle, wo das geholfen hat.«
    Rehder sagte: »Konzentrieren wir uns auf Pettigrew.« Er blickte jetzt seinen Kollegen an, sehr wachsam und leicht triumphierend, so als wisse er etwas, was dem anderen verborgen geblieben war.
    »Wir müssen ihn verdächtigen«, sagte Waldman. »Wir müssen in jedem Fall den Ehemann verdächtigen. Er muß gewußt haben, daß seine Frau und dieser Porter Green etwas miteinander hatten. Pettigrew ist nicht verreist. Der Briefträger hat ihn heute morgen gesehen. Er hat das Haus entweder vor oder nach dem Schuß verlassen. Wenn er vorher weggegangen ist, besteht kein Verdacht gegen ihn. Ist er danach weggegangen, muß er den Schuß nicht notwendigerweise gehört haben. Ich behaupte jedoch, daß er ihn gehört hat, weil er bessere Gelegenheit hatte, ihn zu hören, als andere. Und wenn er ihn gehört hat, was würde er wohl getan haben?«
    Rehder runzelte die Stirn. »Das Naheliegende tun sie nie, oder? Nein. Man sollte meinen, daß er versucht haben würde, in den Raum zu gelangen, und feststellte, daß es nicht ginge, ohne Gewalt anzuwenden. Dann würde er die Polizei gerufen haben. Aber der Mann lebt in demselben Haus, wo seine Frau es mit dem Mieter treibt. Entweder ist der Kerl eiskalt und schert sich einen Dreck darum –«
    »So etwas soll es geben«, warf Waldman ein.
    »– oder sein Innenleben hat unter der Erniedrigung stark gelitten und ihn grausam werden lassen. Als er den Schuß hört, weiß er verdammt genau, daß er ihn gern selber abgefeuert hätte. Und er weiß auch, daß wir ebenso denken werden. Er verläßt also das Haus, ruft die Polizei von einem öffentlichen Fernsprecher aus an und verschwindet anschließend. Wenn er nach Hause kommt, mimt er den Überraschten.«
    Waldman nickte. »Aber solange wir keine Gelegenheit haben, uns ein Bild von ihm zu machen, kommen wir damit nicht weiter. Es war purer Zufall, daß ihn keiner beim Verlassen des Hauses beobachtet hat, purer Zufall auch, daß niemand den Schuß gehört hat. Auf keinen der beiden Zufälle durfte er sich verlassen, folglich auch nicht darauf, vorzugeben, keine Ahnung zu haben, daß zwei Leichen im Haus liegen.«
    »Angenommen, es ist kein Selbstmord«, sagte Rehder. »Dann muß er also das Haus verlassen und vorher dafür gesorgt haben, daß alles verschlossen ist. Schön. Und wie hat er das gemacht?«
    »Ja wie denn?«
    »Mittels der Warmluftheizung. Damit wird auch die Diele beheizt. Ist Ihnen das nicht aufgefallen?« fragte Rehder triumphierend.
    Waldmans Blick ging zu der Luftöffnung im Raum und zurück zu Rehder. »Wie groß ist der Mann?« fragte er.
    »Einer unserer Leute hat sich oben in seinem Zimmer die Anzüge angesehen. Etwa einsdreiundsiebzig groß, Schuhgröße zweiundvierzig, Anzüge Größe fünfzig. Nicht allzu groß. Das Gitter vor der Luftöffnung ist nur eingehängt. Wir sollten es nach Fingerabdrücken untersuchen und sehen, was dabei herauskommt.«
    »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, Max?«
    »Sie wissen genau, daß ich so etwas nie tun würde, Lieutenant. Wenn es sich hier um Mord handelt, muß der Täter den Raum verlassen haben. Mord hinter verschlossenen Türen gibt es nicht. Hat es noch nie gegeben.«
    Waldman seufzte und blickte auf den Fleck auf dem Teppich unter der Ecke des Couchtisches.
    »Wahrscheinlich nicht«, sagte er. »Trotzdem schade, daß es nicht wenigstens einmal passieren könnte.«

9
     
     
    Es war sechzehn Minuten vor drei Uhr, als Joe Pettigrew durch einen stillen Teil des Friedhofes von Hollywood ging. Es war zwar keine absolute Stille, aber hier herrschte eine Atmosphäre der

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