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Professor Bingos Schnupfpulver

Professor Bingos Schnupfpulver

Titel: Professor Bingos Schnupfpulver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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sanften Ton: »Er hat Gefühle, Max. Aber lebt schon sehr lange mit ihnen. Sie sitzen sehr tief. Habe ich recht, Mr. Pettigrew?«
    Joe Pettigrew bestätigte ihm, daß er recht habe. Er glaubte nicht, daß er seinen Fehler von vorhin schon wieder gutgemacht hatte, aber es könnte der Fall sein.
    »Die Schußwunde, die Porter Greens Leiche aufwies, war mit Gewißheit keine Wunde als Folge eines Selbstmordversuches«, fuhr Waldman fort. »Sie könnte es auch dann nicht sein, wenn man sich einen Menschen vorstellt, der nüchtern und mit klarem Kopf den festen Entschluß gefaßt hat, sich aus einem ihm selbst zwingend erscheinenden Grund zu töten, falls ein Selbstmord überhaupt in nüchternem und klarem Zustand zustande kommt. In einigen Fällen scheint das so gewesen zu sein. Aber ein Mann, der gerade an einer gewalttätigen Auseinandersetzung beteiligt war – daß ein Mann in einer sich daraus zwangsläufig ergebenden Gemütsverfassung eine Pistole so weit von seinem Körper abhält, wie die Arme reichen, und vorsätzlich und mit absoluter Genauigkeit auf sein Herz zielt und abdrückt ... das kann doch wirklich niemand glauben, Mr. Pettigrew. Niemand.«
    »Also war ich es«, sagte Pettigrew und blickte fest in Waldmans Augen.
    Waldman erwiderte den Blick und drückte seine Zigarette in dem bernsteinfarbenen Aschenbecher aus. Er drückte den Stummel so fest gegen das Glas, daß er zu einer formlosen Masse wurde. Er sprach, ohne Pettigrew anzusehen, wie ein Mann, der laut dachte und dessen Gedanken völlig zwanglos kamen.
    »Dagegen gibt es zwei Einwände. Das heißt, es gab sie. Zum einen waren die Fenster verriegelt. Alle Fenster. Die Tür dieses Raumes war verschlossen, und obwohl Sie als Hausherr einen Schlüssel besitzen dürften ... übrigens, Sie sind doch der Hausherr, oder?«
    »Das Haus gehört mir«, sagte Pettigrew.
    »Mit dem Schlüssel hätten Sie die Tür nicht öffnen können, da sie mit einem vom Schloß unabhängigen Riegel versehen ist. Die Tür zur Küche kann von außen nicht geöffnet werden, sofern nicht ein Riegel auf der anderen Seite zurückgeschoben wird. Eine Falltür führt in den Keller, aber dieser hat keinen Ausgang ins Freie. Wir haben das festgestellt. Also glaubten wir anfänglich, Porter Greens Tod könne kein anderer als er selbst herbeigeführt haben, weil niemand den Raum verlassen und die Tür verriegelt haben konnte, nachdem er ihn getötet hatte. Denn die Tür war von innen verriegelt. Dieses Problem haben wir jedoch gelöst.«
    Joe Pettigrew fühlte ein leichtes Kribbeln auf der Haut an seinen Schläfen. Sein Mund fühlte sich trocken an, und die Zunge schien wie steif und geschwollen darin zu liegen. Fast hätte er die Beherrschung verloren. Fast hätte er gesagt: Das ist gar nicht möglich. Völlig ausgeschlossen. Wenn es so wäre, wäre das Ganze ein Witz. Professor Bingo wäre ein Witz. Warum hätte ich drinnen am Fenster stehen und darauf warten sollen, daß die Polizisten die Fensterscheibe zerschlagen und hereinklettern, um dann unmittelbar hinter dem Rücken des einen, keine drei Meter von ihm entfernt, hinaus auf die Veranda zu klettern und mich davonzuschleichen, immer weiter und weiter? Warum hätte ich mir die ganze Mühe machen sollen, den Leuten auf der Straße aus dem Weg zu gehen, auf meinen Kaffee zu verzichten, ohne Ziel dahinzugehen und mit niemandem zu sprechen, warum hätte ich das alles tun sollen, wenn es eine Möglichkeit gäbe, das Zimmer zu verlassen, auf die zwei Bullen kommen würden?
    Er sagte es nicht. Aber der Gedanke daran veränderte sein Gesicht. Rehder lehnte sich ein wenig weiter nach vorn, und die Zungenspitze blickte zwischen seinen Lippen hervor. Waldman seufzte. Komisch, daß weder er noch Max daran gedacht hatte, daß der Täter beide ermordet haben könnte.
    »Die Heizung«, sagte er mit sachlicher, gleichgültiger Stimme.
    Pettigrew blickte ihn an, und sein Kopf drehte sich ganz langsam, und er sah zu der Luftöffnung der Heizung hinüber, zu den beiden Gittern, das eine quer gestellt und das andere aufrecht, in der Wand zwischen diesem Raum und der Diele. »Die Heizung«, sagte er und sah wieder Waldman an. »Warum die Heizung?«
    »Sie ist so eingerichtet, daß sie sowohl die Diele als auch diesen Raum mit Wärme versorgt. Wahrscheinlich soll die in der Diele aufsteigende Wärme die oberen Räume des Hauses erreichen. Zwischen den beiden Heizöffnungen, also zwischen den beiden Räumen, hängt ein Eisenblech an einer horizontal

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