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Professor Bingos Schnupfpulver

Professor Bingos Schnupfpulver

Titel: Professor Bingos Schnupfpulver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Pettigrew.
    Absolute Stille legte sich über den Raum. Waldman stand mit offenem Mund da, seine letzten Worte schienen noch an den Lippen zu hängen. Rehder lachte. Er griff wieder nach hinten und zog den Revolver aus dem Halfter in der Gesäßtasche.
    »Ich schämte mich«, sagte Joe Pettigrew. »Ich schämte mich, in sein Gesicht zu sehen. Ich schämte mich für ihn. Das können Sie nicht verstehen. Sie haben nicht mit ihr zusammengelebt.«
    Waldman stand schweigend da, mit langem Gesicht und einem grüblerischen Blick in den Augen. Er begann nach vorn zu gehen. »Ich fürchte, das ist alles, Mr. Pettigrew«, sagte er ruhig. »Es war interessant und ein wenig schmerzvoll. Jetzt müssen wir gehen.«
    Joe Pettigrew stieß ein scharfes Lachen aus. Einen Augenblick lang stand Waldman zwischen ihm und Rehder. Joe Pettigrew ließ sich zur Seite hin aus dem Sessel fallen und schien sich in der Luft zu drehen wie eine aus der Höhe herabspringende Katze. Dann war er an der Tür.
    Rehder brüllte, er solle stehenbleiben. Dann schoß er, viel zu schnell. Die Kugel warf Joe Pettigrew in die Diele hinaus. Er prallte gegen die gegenüberliegende Wand, schlug mit den Armen und drehte sich halb herum. Er setzte sich nieder, mit dem Rücken zur Wand, Mund und Augen offen.
    »Der hatte es faustdick hinter den Ohren«, sagte Rehder und ging mit steifen Schritten an Waldman vorbei in die Diele hinaus. »Ich wette, der hat sie beide um die Ecke gebracht, Lieutenant.«
    Er bückte sich, richtete sich wieder auf und drehte sich herum, wobei er den Revolver einsteckte. »Brauchen keinen Krankenwagen«, sagte er kurz. »War nicht meine Absicht. Aber Sie standen so ungünstig.«
    Waldman stand im Türeingang. Er zündete sich eine neue Zigarette an. Seine Hand zitterte ein wenig. Er blickte darauf, während er die Streichholzflamme auswedelte.
    »Ist es Ihnen jemals in den Sinn gekommen, daß er trotz allem völlig unschuldig hätte sein können?«
    »Völlig ausgeschlossen, Lieutenant. Unmöglich. Ich habe schon zuviel gesehen.«
    »Zuviel Falsches«, sagte Waldman sehr deutlich. Seine dunkelbraunen Augen blickten kalt und zornig. »Sie sahen, wie ich ihn nach Waffen durchsuchte. Sie wußten, daß er nicht bewaffnet war. Wie weit wäre er schon gekommen? Doch Sie haben ihn töten müssen – weil Sie sich aufspielen wollten. Aus keinem anderen Grund.«
    Er ging an Rehder vorbei in die Diele hinaus und beugte sich über Joe Pettigrew. Er schob ihm die Hand unter die Anzugsjacke und tastete nach dem Herzschlag. Dann richtete er sich auf und drehte sich um.
    Rehder schwitzte. Er hatte die Lider zusammengekniffen, und sein ganzes Gesicht sah unnatürlich verändert aus. Auf einmal hatte er den Revolver wieder in der Hand.
    »Ich habe nicht gesehen, wie Sie ihn durchsucht haben«, sagte er mit belegter Stimme.
    »Sie halten mich also für einen Idioten?« fragte Waldman eiskalt. »Selbst wenn Sie nicht lügen – und ich glaube, daß Sie lügen.«
    »Beschimpfen Sie mich ruhig«, sagte Rehder mit rauher Stimme. »Aber nennen Sie mich bloß keinen Lügner.« Er hob die Waffe ein wenig. Waldmans Lippen verzogen sich verächtlich. Er sagte nichts mehr. Nach einer Weile klappte Rehder die Trommel seines Revolvers heraus und blies durch den Lauf. Dann steckte er die Waffe weg. »War ein Fehler«, sagte er, und seine Stimme klang gepreßt. »Berichten Sie darüber, wie Sie wollen. Und einen anderen Kollegen können Sie sich auch suchen. Ja, ich habe voreilig geschossen. Und der Kerl hätte unschuldig sein können, wie Sie sagten. Verrückt war er auf jeden Fall. Im Höchstfall hätten sie ihn zu einem Jahr verurteilt, vielleicht nur zu neun Monaten. Und anschließend hätte er ein glückliches Leben führen können, ohne Gladys. Das habe ich ihm verdorben.«
    Waldman sagte in fast sanftem Ton: »Zweifellos war er in einer gewissen Bedeutung des Begriffs verrückt. Aber er hatte vorgehabt, sie beide zu töten. Alle Umstände deuten darauf hin. Wir beide wissen das. Und durch die Heizungsöffnungen hat er den Raum nicht verlassen.«
    »Was?« fragte Rehder. Seine Augen zuckten, und sein Mund stand offen.
    »Ich beobachtete ihn, als ich ihm das sagte. Max, von allem, was wir ihm sagten, war das das einzige, was ihn wirklich überraschte.«
    »Aber er muß auf diesem Weg aus dem Raum hinausgekommen sein. Es gab gar keine andere Möglichkeit.«
    Waldman nickte. Dann zuckte er die Achseln. »Sagen wir es so: wir haben keine andere Möglichkeit gefunden

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