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Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Titel: Professor Mittelzwercks Geschöpfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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warum ich mich im Chromaton aufhielt, betonte nur, daß er endlich jemand gefunden hätte. Ich schloß daraus, daß er sich mit etwas beschäftigte, das fragwürdig, vielleicht sogar nicht ganz gesetzlich oder doch etwas war, das ihm die Ruhe nahm.
    So fragte ich ihn denn, was er so treibe. Treibe sei gut, er lachte, er tre i be nicht, er vertreibe, und zwar cerebralin, eine von manchem sehr b e gehrte Flüssigkeit, die immer teurer würde, kein Rauschgift, bitte, cerebr a lin eben. Inzwischen werde das Flakon schon bis zu zwanzigtausend g e handelt und er erhalte für jede vertriebene Flasche zehn Prozent. Übrigens werde cerebralin bei Sanafarm hergestellt. Sanafarm hier in Knorch. Ich kannte weder das cerebralin noch eine Sanafarm, Blend schien vorausz u setzen, daß sei mir alles geläufig. Verstehst du, ich vertreibe das cerebralin. Die Sanafarm in Knorch leite Hagen Groh, gleichfalls ein alter Klasse n kamerad, ich würde mich sicher an ihn erinnern.
    Ich entsann mich nur eines langen düsteren Bengels, der, wenn die Le h rer ihn fragten, immer mit drohendem Unterton antwortete, er stieß die Antworten hervor, als wäre er beleidigt, weil er gefragt worden war, und dem ihn fragenden Lehrer kündigte er seine Rache an. Wehe, du fragst mich noch einmal. Wenn eine Arbeit zurückgegeben wurde, nahm er sein Heft zögernd mit finsterem Blick entgegen, als hätte man ihm Böses ang e tan, auch wenn die Note, die er bekommen hatte, gut war. Oft war sie sehr gut. Manchmal fragte ihn ein Lehrer, ob er enttäuscht sei, weil er ihm eine Eins gegeben hatte. Groh antwortete nie, er schaute den Lehrer wütend an. Hätte ich das nicht fragen sollen, fragte der erschrocken.
    Was sei denn eigentlich cerebralin, fragte ich Elend.
    Erstaunt, daß ich es noch nicht wußte, sagte er, das ist Stalins Geist auf Flaschen gezogen, er flüsterte, als ob jetzt er mir vorsagte. Als sie den toten Stalin fürs Mausoleum einbalsamierten, haben sie sein Gehirn in Alkohol gelegt. Dabei hat einer, der ein Getreuer Stalins war, treuer als alle die anderen, die, kaum war Stalin tot, von ihm abfielen und die ihn später aus dem Mausoleum entfernen ließen, also ein unerschütterlicher Getreuer hat die Tinktur aus Stalins Hirn, die Urtinktur, erst hergestellt und dann herausgeschmuggelt und aufbewahrt. Und diese Urtinktur, mit hochprozentigem Alkohol verdünnt, von eins zu tausend, eins zu zehntausend bis sogar eins zu hunderttausend, das ist cerebralin. Man nimmt es tro p fenweise. Drei Tropfen täglich. Wer sich mehr leisten kann und will, nimmt mehr.
    Wozu aber?
    Um so zu werden, wie Stalin war.
    Will das denn jemand?
    Es wollen mehr, sagte Egon Blend, und diesmal zog auch er ein düsteres Gesicht, als cerebralin vorhanden ist.
    Nun, sagte ich, jeder versucht eben, sich irgendwie durchs Leben zu schlagen.
    Es bringt mir mindestens zweitausend täglich, wenn nicht noch mehr, das ist nicht bloß ein Sichdurchslebenschlagen, da steht etwas dahinter, Blend wurde heiter. Gut, daß ich dich getroffen habe, einen aus einer anderen Welt.
    Im Korridor zu meinem Zimmer mußte ich um die Ecke biegen, die nah e zu im Dunkeln lag, und gerade an dieser Ecke, warum gerade an dieser, traf ich Blend noch einmal. Er kam wie aus dem Hinterhalt hervorgescho s sen, er drückte mir etwas in die Hand.
    Habe ich abgezweigt, sagte er, nimm es. Ich weiß nicht, wie ich meine Schuld an dir sonst gutmachen könnte. Er drückte nochmals meine Hand, herzlichen Dank für diesen wunderbaren Abend. Ich hatte das Gefühl, er huschte weg, und wie ich mir nichts anderes vorstellen konnte, in eine verborgene Nische, einen toten Winkel.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    3
     
    B lend hatte mir ein Flakon mit der Bezeichnung cerebralin geschenkt. cerebralin in goldenen kyrillischen Buchstaben, die den altgriechischen Zeichen entfernt ähneln, auf zwiebelförmiges Glas gesetzt, in dessen Obe r fläche Rhomben geschliffen waren, die dem Flakon den Anschein gaben, es bestehe aus Kristall. Der Schraubverschluß, eine vergoldete Kappe, trug eine Spitze wie früher die Pickelhauben. Ich hielt das Fläschchen gegen das Lampenlicht und sah die bläulichgrüne Flüssigkeit metallen glänzen. Alles darauf berechnet, ein mystisches Gefühl hervorzurufen. Das einzig Sachliche schien mir die Angabe eins zu eintausend, die derart winzig unter dem kyrillischen cerebralin stand, daß ich sie beinahe übersehen hätte. Eine ziemlich starke Lösung. Auf tausend

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