Professor Mittelzwercks Geschöpfe
sicher daran, daß ich in einen Sog des Mißtrauens geraten war. Hinter Ihrem Lachen, Bannse, steckte etwas anderes. Das haben Sie mir jetzt zu sagen.
Es steckte nichts anderes dahinter, Bannse senkte den Kopf.
Aha, dachte ich, jetzt wird er weich, er hat sich in etwas hineingelogen. Jetzt muß ich hart zupacken.
Wenn Sie es mir nicht sagen wollen, bringen Sie mir das Klassenbuch, dann muß ich eintragen: Bannse lügt.
Das müssen Sie dann, sagte er, und trotzdem habe ich nicht gelogen.
Wenn sich herausstellt, daß Sie gelogen haben, und das wird sich herau s stellen, fliegen Sie von der Schule. Das verspreche ich Ihnen, da nützen Ihnen alle Ihre guten Leistungen nichts.
Ich drehte mich um und ließ ihn stehen, und in der schattigen Ecke, dort, wo der Korridor umbiegt, zog ich die Jacke aus und überprüfte, ob da die Schüler nicht einen Zettel angeheftet hatten oder Tinte angeschmiert, fand aber nichts.
5
Nach Schulschluß fuhr ich noch nicht nach Hause und ging statt dessen durch das alte und noch vom vorigen Jahrhundert her berühmte Schulhaus. Wie war es doch verkommen, nicht, daß es unsauberer und baufälliger als andere Schulhäuser gewesen wäre, aber sein Stil, sein Geist, er war heru n ter, und als ich dann den Keller ko n trollierte, durch den sich dicke und dünne Heizungsrohre wanden, entdec k te ich eine alte Tür mit einer Klappe in Augenhöhe. Ich hob die Klappe und schaute in einen zellenartigen ve r staubten Raum mit einem zerkrac h ten Stuhl, einer Holzpritsche und einer Wasserkanne aus Bl ech. Das kleine Fenster war ver gittert. Der Karzer, stellte ich fest, in einem solchen Z u stand! Ein rostiger Schlüssel steckte, ich wollte ihn umdrehen, das Schloß war wohl seit hundert Jahren nicht geschmiert. Mit einem Mal überkam mich eine Vision, Bannse, die Schüler Schidlinski und die Pe trusch, die sich ihm angeschlossen hatten, in diesem Karzer, gefesselt, und Bruno Hülsch, der bärenstarke Klassenschlechteste, der nicht zur Reifeprüfung zugelassen war, schlug Haken in die Wand, um die Gefesselten daran au f zuhängen. Ich sah mich, wie ich ihm befahl, wen er zuerst aufhängen sol l te, zuerst die Petrusch, dann Bannse. Ich hörte mich lachen, ich finde es sehr praktisch. Wichtig, sagte ich zu Hülsch, ist das Geständnis. Auf das Geständnis kommt es an.
Ich hörte Schritte, der Heizer sah die Rohre nach.
Meine Vision erlosch. Was ist das für ein Raum, fragte ich den Heizer, wozu die Klappe in Augenhöhe?
Da haben sie früher die ungezogenen Schüler eingesperrt, vorm ersten Weltkrieg, schätze ich, manchmal denke ich mir, auch heute könnten wir das brauchen, nicht immer, aber in besonderen Fällen, wenn mal ein wir k lich dicker Hund vorkommt.
Nun, sagte ich, das ist nicht mehr im Sinne des heutigen Erziehungsideals, innerlich freute ich mich, daß dieser Proletarier so eine ve r nünftige Ansicht äußerte.
Noch einen schönen Tag, sagte ich. Wenn ich Direktor wäre, stellte ich mir vor, könnte mir dieser Mann die sogenannten dic ken, aber auch die etwas mageren Hunde, das kleinste Vorkommnis, das in der Schule g e schehen ist und noch wird, könnte er mir mitteilen, er müßte mein Ve r trauensmann werden.
Ein wenig verschwitzt verließ ich den warmen Keller, wo Sauerstoff knapp war.
6
Einen Tag später kam ich auf dem Weg zum Lehrerzimmer wie immer an der etwas dunkleren Ecke vorbei, und da schoß jemand auf mich zu, ich spürte eine Gefahr, ich zuckte zurück, doch eine Hand faßte mich an. Will, sagte der Mann, Will, hast du einen Augenbl ick Zeit? Vor mir stand Egon B lend, ich bitte dich, mir einen Gefallen zu tun, hast du ein kleines Auge n blickchen Zeit?
Woher weißt du, daß ich hier unterrichte?
Ich habe mich erkundigt, Will. Er habe drei Paletten cerebra lin, die wolle er bei mir für kurze Zeit abstellen, er zahle selbstverständlich Lagergebühr, ob er sie mir nach Hause bringen dürfe.
Ich wurde sehr mißtrauisch, und als ich sein Gesicht sah, das halb im Schatten lag, als ob der Schatten es entzweischnitt, kam mir die Sache mysteriös vor. Ich spürte echten Unwillen, so wie ich auch als Schüler ärgerlich reagierte, wenn er von mir ein Vorsagen oder die Lösung einer Aufgabe verlangte, aber getrieben von der unterbewußten Pflicht, mich kameradschaftlich zu zeigen,
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