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Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Titel: Professor Mittelzwercks Geschöpfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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Versagensformen, warf ich ein.
    Wir wandeln unser Programm, wie ich andeutete, individuell etwas ab. Mit Versagern, deren Krankheit auf dem Sexualsektor besonders kraß he r vortritt, werden wir Gruppen- oder Einzelgespräche führen. Solche, die an Hemmungen gegenüber Vorgesetzten leiden, werden wir mit den steuer n den Persönlichkeiten des Raumschiffs vorsichtig in Kontakt bringen, etwa durch Einnahme der Mahlzeiten am Tisch des Kapitäns. Eine schreckliche Situation für solche Kranken, die sie bewältigen müssen. Solchen mit Artikulationsschwierigkeiten, die alles zu ausführlich, zu genau, zu klar und zu deutlich darlegen, erteilen wir die Aufgabe, über entsprechende Geräte kurz Informationen in den Raum zu geben, wobei wir ihnen klarmachen, daß von diesen Informationen, oft Abkürzungen wie ripzak oder v i otransost, das Leben der Raumschiffinsassen oder (bei idealistischen Ch a rakt e ren) die Existenz des Erdballs abhängt, ein Buchstabe zuviel kann den Untergang bedeuten. Wir verfügen aber auch über kleinere Härten, an denen alle teilnehmen dürfen, etwa das Essen, das ausreichend aber a b sichtlich unschmackhaft ist, das tägliche Lesen der Leitartikel und Ko m mentare des televisionär übermittelten Zentralen Weltblattes renovierter globus sowie der jeweiligen nationalen Ableger desselben, den Rau m schiffappell mit Ansprache des Kapitäns, Gesang der Hymne für den ko s mos stehen wir auf wacht, Hissen und Einholen der Schiffsfahne oder das Verl e sen von Raumstrafgesetzen, Raumbenutzerordnungen, wozu eigens Ve r sammlungen einberufen werden, in denen die Diskussionsbeiträge darin bestehen, daß man die Strafgesetze und Benutzerordnungen wortgetreu wiedergibt und glaubhaft darlegt, man stimme mit ihnen überein.
    Ich bemerkte, dies seien keine speziell kosmischen Bewährungsproben, die könne man auf der Erde auch haben.
    Dort entziehen sich ihnen aber viele Versager, sie verstehen das oft sehr raffiniert. Im Raumschiff haben wir diese ideale Situation der hermetischen Abgeschlossenheit. Wohin sollte sich hier ein Kranker entziehen?
    Von mir über die einzelnen an Bord befindlichen Versager und deren Krankengeschichte befragt, verwies mich Dr. Freund auf das Arztgehei m nis. Es sei unzulässig, die vollen Namen der Versager, ihre Fotos oder Ei n zelheiten ihres Verhaltens während der Heilreise in meinem geplanten Buch zu veröffentlichen, wenn die Versager selbst es mir nicht erlaubten.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    4
     
    Ich sprach Emil Erasmus K. vorsichtig an, wie er sich denn fühle, und er begann zu weinen. Die Anzugjacke mit dem auf die linke Brustseite genä h ten schwarzen V (Versager) war schnell von Tränen naß. Ich reichte ihm mein Taschentuch. Er schniefte unästhetisch. Sie können es behalten, sagte ich. Er sah mich traurig an. Der reinste Jämmerling. So einen hatten wir in unserer Schule, den prügelten wir Mädchen immer durch, danach tat er uns leid, wir gaben im Beruhigungsbonbons und streichelten ihm die sensiblen Stellen.
    Es ist abscheulich, daß wir hier eingeschlossen sitzen, im Raumknast sozusagen, sprach ich, wir sind zwar freiwillig hier drin, ich habe hartnäckig um meinen Listenplatz gerungen, und nun ist es viel schlimmer, als ich dachte. Na, immerhin, wenn die Behandlung hilft, will ich die knastige Atmosphäre gern in Kauf nehmen. Ach, sagte er, Sie tragen auch das w i derliche V. (Ich hatte es mir in Dr. Freunds Kabine angeeignet, wo mehrere Vs in einer offenen Schachtel lagen, und meinen Overall damit benäht.)
    Ja, ich bin auch Versager. Sirene Selenik mein Name. Sirene reicht schon, wir könnten uns auch duzen. Leidensgefährten, die wir sind.
    Sirene, sagte er, wie häßlich.
    Ich wollte sagen, die werden morgen mit dem Programm beginnen, doch fiel mir ein, daß ich das als Versagerin nicht wissen konnte. Ich sagte, wer weiß, was die noch mit uns machen werden. Er sagte, die machen nichts, die kurven mit uns rum, bis harte Sachen auf uns loskommen, damit wir uns bewähren. Wenn aber keine kommen?
    Es werden welche kommen.
    Aber wann? Wie lange wird das dauern? Und werden sie bei mir anschl a gen?
    Ich sagte, du darfst dich gegen die Behandlung nicht sperren und nicht schon vorher ängstlich sein. Was du da an der Einstiegstür gemacht hast, an dieser Klappe, war unnötiger Energieverschleiß, du mußt dich schlap p machen.
    Ich muß mich bewähren, sagte

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