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Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Titel: Professor Mittelzwercks Geschöpfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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er, das mit der Klappe war vielleicht schon eine Bewährungsprobe. Wir kann man wissen, was eine Bewä h rungsprobe ist. Vorher sagt keiner, paß auf, hier kommt ‘ ne Stufe. Wenn du gestolpert bist, dann heißt es, Bewährungsprobe nicht bestanden. Das ist das Hinterhältige.
    Ich sagte, die meinen es hier gut mit uns.
    Emil Erasmus blickte mich argwöhnisch an. Die blaßgrauen, verschwo m menen Pupillen sch rumpften zu Punkten, graphitfar ben, poliert. Ich assoz i ierte: Fliegenaugen, kurz vor dem Schlag mit der Klatsche.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
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    Du darfst nicht zu sehr davon überzeugt sein, daß du ein schwerer Fall bist, sagte ich sanft zu K. du mußt dir einbilden, gar nicht krank zu sein, dann brauchst du auch nicht immerzu an die Bewährung zu denken, und wenn sie kommt, bewährst du dich höchst elegant, wie im Vorübergehen, das läuft dann voll natürlich, nicht so verkrampft. Bewährungskrampf bringt uns nicht weiter.
    Er sagte wehleidig, ich bin ein schwerer Fall, ich bin an Bord der schwer s te, nicht so ein kleiner Bettnässer, so ein mittelmäßiger Weltuntergangsal a rmknopffalscheinsteller, so ein Sexualfehlzünder. Er konnte sich nicht bremsen. Ja, solche Memmen sind unbeherrscht. Er mußte seine Leiden vor mir erzählen, er litt nicht nur an einer einzigen Versagensart, es war ein ungeheures Bouquet verschiedener Versaglichkeiten, und er schien darauf auch noch stolz zu sein. Emil Erasmus K. erst einunddreißig Jahre alt, von Hemmungen, Phobien und Allergien zerrüttet.
    Er leide erstens an einer chronischen Gleichlaufangst, die sich so auswi r ke, daß er nicht in der Lage sei, zu ganz bestimmten, immer gleichen Ze i ten von einem ganz bestimmten, immer gleichen Ort zu einem ganz b e stimmten, immer gleichen anderen Ort zu gehen oder zu fahren und dort eine ganz bestimmte Zeit bei einer ganz bestimmen, ihm zugeteilten Arbeit zuzubringen, danach zu ganz bestimmter Zeit zu dem bestimmten, immer gleichen Ausgangsort zurückzukehren. Dies ginge ihm nicht nur bezüglich eines Arbeitsortes so, es träfe auch für Räume innerhalb der eigenen Wo h nung zu, für Ferienorte, Freizeitpunkte, Versammlungen, Verwandtenwohnungen, Festveranstaltungen, Geburtstagsfeiern. So habe er den G e burtstag einer Freundin nicht im Januar feiern können. Er wurde am betre f fenden Termin vollkommen schlapp und konnte sich zu keiner Feiertätigkeit erheben, er hätte es jedoch großartig im August gekonnt. Ihm sei da so gewesen, erklärte er, daß er den Fakt, daß seine Freundin nicht nur geb o ren, sondern auch noch lebendig war, begießen müßte, auch gab es sch ö nere Blumen als im Januar, doch seine Freundin habe sein Verhalten so verbittert, daß sie ihm fortgelaufen sei; er habe auch nicht bei den regul ä ren periodischen Wohnturmversam m lungen erscheinen können, obwohl man ihn schon Wochen vorher einlud. Sobald die Stunde nahte, zu der man sein Erscheinen erwartete, verfiel er in totale Schlappheit, er hatte die abstruse Vorstellung, man müßte sich versammeln, wenn einem so zumute sei, wie man auch lieben müsse, wenn man den Drang verspüre, nicht, wenn die festgesetzte Zeit geko m men ist, Silvester, Weihnachten oder Rosenmontag, oder wenn das Telev i sionsprogramm gelaufen ist.
    Er leide übrigens auch an Televisionsphobie, er konnte, wie er sagte, die fremden Leute in seinem Zimmer nicht ertragen, die da spektakelten, ohne zu fragen, ob ihn die Sachen interessierten, die sie behakelten. So lebte er atelevisionär, was ihm das Image eines Menschenfeindes eintrug; von da war es nun nicht mehr weit zur Tele- und Videophonophobie. Ohren und Augen versagten ihm, sobald man ihn mit diesen Kommunikationsgeräten konfrontierte. Ich kann nicht telefonieren und auch nicht videophonieren, sagte er, beim ersten werde ich die Furcht nicht los, ich würde entweder in einen leeren Raum sprechen, wo keine Menschenseele meine Worte hört, oder es würden mich zu viele hören, oder es würde mich nur einer hören, und gerade der wäre nicht der Richtige. Ich gebe was in einen Apparat, wer fängt es auf, wer sitzt dort auf der anderen Seite? Bei diesen Fraglichkeiten packt mich kaltes Grauen. Genauso unerträglich ist es mir, zu sehen, wer auf der anderen Seite sitzt, ich fürchte immer, es sei in Wirklichkeit nicht der, den ich da sehe.
    K. ging stets selbst hin, wenn er mit jemand sprechen wollte. Auf diese Weise glaubte er souverän zu sein, tatsächlich, er begab sich auf seinen beiden

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