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Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Titel: Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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gleich matten Perlen auf schwarzer Flut, aus der schwermütigen Seele der Sängerin.
    Unrat dachte: ›Immerhin nun zwar –‹ Es war ihm lau und traurig zu Sinn. Er schlich sich an den Spalt und sah zwischen den Angeln die grünen Falten der Künstlerin Fröhlich langsam sich bilden und wieder vergehn … Sie neigte den Kopf nach hinten; in Unrats Gesichtsfeld erschien das verbogene Diadem auf ihrer rötlichen Frisur und eine bunte Wange unter einer hohen schwarzen Braue. An einem der vorderen Tische sagte eine hingerissene Stimme, die Stimme eines breiten Landmanns in blauer Wolljacke: »Nee, is dat Minsch schöen! Wenn ick nu na Hus kam, mach ick jä mien Fru gor nich miehr lieden.«
    Unrat sah sich den Mann mit geringschätzigem Wohlwollen an; er dachte: ›Ei freilich nun wohl, Mann.‹
    Der war nicht dabeigewesen, als die Künstlerin Fröhlich entstanden war! Er wußte nicht, was das Schöne war, war nicht berufen, darüber zu entscheiden, hatte es hinzunehmen, wie’s ihm geboten ward, und mußte noch froh sein, wenn es ihm den Geschmack an seiner Frau verdarb.
    Die Strophe endete klagend:
    »Im Takte deines Herzens schwankt mein Nachen,
    Mein Herze weint, und alle Sterne lachen.«
    Aber auch unter den Hörern lachte wieder einer, mit fettem Prusten. Unrat, aus seiner Stimmung gerissen, suchte vergebens unter den Köpfen. Die Künstlerin Fröhlich begann die zweite Strophe wieder mit »Der Mond ist ruhnd« … Beim Refrain: »Und alle Sterne lachen –«, lachten nun schon sechs oder sieben Leute. Einer in der Mitte gluckste wie ein Neger. Unrat entdeckte ihn: es
war
ein Neger! Dieser Farbige steckte seine Umgebung an, Unrat sah andere Gesichter sich in heitere Falten legen. Der Drang erhob sich in ihm, jene Muskeln aus ihren Verzerrungen zurückzureißen. Er trat von einem Fuß auf den andern, eine Art Qual durchlief ihn …
    Die Künstlerin Fröhlich verkündete zum drittenmal: »Der Mond ist ruhnd.«
    »Dat weit wi nu«, sagte jemand, breit und entschieden. Einige Gutgesinnte erhoben Einspruch gegen die zunehmende Unruhe. Aber das Gelächter des Schwarzen griff verheerend um sich. Unrat sah ganze Reihen von aufgerissenen Mündern, schwarz, mit ein paar gelben Hauern aus Lücken hervor oder mit Halbmonden weißen Beins von einem Ohr zum andern; mit kranzförmigen Schifferbärten unter dem Kinn oder hinaufgebundenen Borsten auf der Oberlippe. Unrat erkannte den Handlungslehrling, seinen ehemaligen Sekundaner, der ihm gestern am Rande der steilen »Grube« ins Gesicht gefeixt hatte, und der nun die Kiefer aufriß, so weit er konnte, zu Ehren der Künstlerin Fröhlich. Und Unrat fühlte, wie ihm schwindelnd seine Wut zu Kopf schoß, seine von Angst durchjagte Tyrannenwut. Die Künstlerin Fröhlich war seine eigene Angelegenheit! Er hatte sie genehmigt, folgte aus den Kulissen ihren Leistungen, war mit ihr verknüpft und führte sie gewissermaßen selber vor! Man vergriff sich an ihm selbst, wenn man sich unterstand, sie nicht gelten zu lassen! Er hielt sich am Pfosten, sonst meinte er hinausstürzen zu müssen, um mittels Drohungen, Handgriffen und Strafen die empörte Schar der entlaufenen Schüler zu Gehorsam zurückzuzwingen.
    Allmählich hatte er fünf, sechs von ihnen herausgefunden. Der Saal war durchspickt mit den Widerspenstigen aus alten Jahrgängen! Der dicke Kiepert und die dicke Guste gingen umher, tranken aus den Gläsern, machten sich volkstümlich. Unrat verachtete sie, sie stiegen in die Gosse. Auf hehrer Höhe stand in ihrem grünseidenen Kleid, mit ihrem verbogenen Diadem, die Künstlerin Fröhlich; aber man wollte sie nicht, man rief: »Dor heft wi nu nooch von!«
    Und Unrat konnte das nicht ändern! Es war schrecklich! Er konnte die Schüler ins Kabuff sperren, sie über nicht vorhandene Gegenstände Aufsätze verfassen lassen, ihre Handlungen seinem Dienst unterwerfen, ihre Gesinnungen drillen, und wenn einer etwas zu denken wagte, ihn anheischen: »Sie sollen nicht denken!« Aber er konnte sie nicht zwingen, schön zu finden, was nach seinem Ermessen und Gebot schön war. Hier war vielleicht die letzte Zuflucht ihrer Widersetzlichkeit. Unrats despotischer Trieb stieß hier auf die äußerste Grenze menschlicher Beugungsfähigkeit … Er ertrug es kaum. Er schnappte nach Luft, sah sich um nach einem Ausweg aus seiner Ohnmacht, wand sich unter der Begierde, so einen Schädel einmal aufzuschlagen und den Schönheitssinn darin mit krummen Fingern zurechtzurücken.
    Daß die Künstlerin

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